In den knapp dreissig Jahren seines Bestehens hat das Schweizer Comicmagazin «Strapazin» die Szene massgeblich beeinflusst. Das Basler Cartoonmuseum blickt zurück auf drei Jahrzehnte zeichnerisches Rebellentum und künstlerisches Schaffen weit über Genregrenzen hinaus.
«Eigentlich sind wir arrogant, um den Leser haben wir uns nie gekümmert», bringt der «Strapazin»-Herausgeber David Basler das verlegerische Konzept des Comicmagazins auf den Punkt. Konsequent bis zur Radikalität, so wie Kunst es sein muss. Diese Haltung ist wohl die Ursache für den grossen Einfluss, den das «Strapazin» auf sein Genre hatte – und noch immer hat.
Noch bis zum 3. März zeigt das Basler Cartoonmuseum in seiner Retrospektive unter dem Titel «Comics Deluxe!», was dreissig Jahre «Strapazin» hervorgebracht haben und wer hinter dem Erfolg des Magazins steckt. Die Bespielung der Räume erfolgt nach Jahrzehnten geordnet, beginnend mit den 1980er-Jahren. In einer Vitrine liegen die Vorbilder der Initianten vom «Strapazin»: Das amerikanische «RAW» scharrte ab 1980 einmal jährlich die internationale Comic-Avantgarde um sich. Die französische Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» sorgte mit seinen bissigen Karikaturen für Aufregung. Und man wollte auch im deutschsprachigen Raum für Comics abseits von Asterix, Mickey Mouse und Fix und Foxi eine Plattform schaffen.
Düster, beklemmend, schwarz-weiss
Politische Unruhen, Punkmusik und eine künstlerische Aufbruchstimmung geben sich in den Anfangszeiten die Hand. Thomas Ott, heute ein preisgekrönter und stilprägender Zeichner und Illustrator, veröffentlichte seine ersten Werke im Strapazin. Ott ist düster, beklemmend, schwarz-weiss und auch inhaltlich die absolute Antithese der eingängigen, lustigen Kindercomics wie sie bis dahin den Comicbegriff prägten. Zusammmen mit anderen Künstlern wie Andrea Caprez und Peter Bäder wird Ott der «Zürcher Schule» zugerechnet, diese sind fortan massgebend und stilbildend beim «Strapazin».
Die 1990er-Jahre sind bunter, greller und geprägt von fallenden Mauern. Einerseits finden Zeichner aus dem Osten den Weg ins «Strapazin» und damit eigenwillige Bilderwelten – inspiriert von östlichen Märchen und Sagen, nicht von westlichen Superhelden und Witzfiguren. Anke Feuchtenberger zum Beispiel, oder ATAK. Andererseits werden auch Grenzen zwischen bildender Kunst und Comic zusehends hinterfragt. Der in Bern geborene M.S. Bastian irritiert die Comicszene mit seinen Collagen ohne erkennbare narrative Muster, die Kunstfreunde hingegen sind von den populärkulturellen Bezügen auf seinen Leinwandbildern vor den Kopf gestossen. Spannend sind insbesondere seine dreidimensionalen Installationen, mit Comicfiguren bevölkerten Guckkästen und kleinen Einzelskulpturen. Weiter entfernt von in Rahmen gezwängten und in Blasen sprechenden, mit Tusche gezeichneten Figuren waren Comics nie zuvor.
Verschwimmende Grenzen zwischen Comics und Kunst
In den Nullerjahren hält auch in der bisher von Autodidakten und Quereinsteigern dominierten Comic-Kunst die Professionalisierung Einzug. Inzwischen gibt es Hochschulen – wo viele «Strapazin»-Künstler dozieren –, die Diplome anbieten für Comiczeichner. Neue Themen werden erschlossen. Zeichnerinnen wie die Baslerin Kati Rickenbach beispielsweise werden in ihrer eigenen Biografie fündig. Es gibt Reportagen in Comicform. Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen von Illustration, Kunst und Comic immer mehr. Auf den leinwandgrossen Bildern des Duos Julia Marti und Milva Stutz wird auf poetische Weise von Gefühlen und subjektiven Eindrücken erzählt, die Tradition der narrativen Bilderfolge gebrochen.
Den Abschluss der Ausstellung macht ein knall- und blutrot gestrichener Raum, eine Wand zieren sämtliche «Strapazin»-Cover der letzten dreissig Jahre. Und es wird augenfällig: Hier wurde und wird mit Herzblut gezeichnet, koloriert, nachgedacht, hinterfragt und auf den Kopf gestellt.
Die Ausstellung «Comics Deluxe!» ist noch bis zum 3. März 2013 im Cartoonmuseum Basel, St. Alban-Vorstadt 28 zu sehen. Das Rahmenprogramm umfasst unter anderem Führungen und Auftritte von «Strapazin»-Künstlern die live zeichnen und von ihrer Arbeit erzählen.