Im Bieler Raser-Prozess gehen die Vorstellungen über das angemessene Urteil weit auseinander. Der Staatsanwalt fordert zehn Jahre für beide Beschuldigten, der eine Verteidiger 18 Monate bedingt, der andere einen Freispruch.
Vor dem Regionalgericht in Biel stehen zwei 22-jährige Schweizer. Die Staatsanwaltschaft macht sie verantwortlich für den Tod eines Familienvaters am 17. Dezember 2011 in Täuffelen am Bielersee.
Der eine Mann verlor mit gegen 100 km/h die Kontrolle über sein Fahrzeug und erfasste eine Familie auf dem Trottoir. Die Frau des Getöteten und der kleine Bub wurden verletzt, ebenso ein korrekt entgegenkommender Autofahrer.
Aus Sicht von Staatsanwalt Peter Schmid haben sich beide Beschuldigte der eventualvorsätzlichen Tötung und des mehrfachen Versuchs dazu schuldig gemacht. Die zwei Freunde hätten sich zuvor auf dem Weg vom Nachbardorf Hagneck nach Täuffelen ein Rennen geliefert, sagte er am Mittwoch in seinem Plädoyer.
Auf der Hauptstrasse in Täuffelen habe der eine Mann seinen Kollegen in hohem Tempo überholt und kurz darauf mit gegen 100 statt 50 km/h die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren.
Der Unfallverursacher habe sich «absolut verantwortungslos» verhalten, sagte der Staatsanwalt. Er sei nach dem Überholmanöver in eine Rechtskurve gerast, obwohl er gewusst habe, dass nach 70 Metern ein Fussgängerstreifen folge und dass an einem belebten Samstagnachmittag mit Gegenverkehr zu rechnen sei.
Ebenso schuldig sei aber der Kollege des Unfallverursachers. Dieser habe verhindern wollen, dass er überholt werde, und damit seinen Beitrag zum Rennen mit fatalem Ausgang geleistet. «Ohne ihn wäre kein Rennen möglich gewesen.»
Zweifel an Vorgeschichte des Unfalls
Ganz anders sehen es beide Verteidiger. Der Anwalt des Unfallverursachers betonte, sein Klient sei bereit, die Konsequenzen für sein Fehlverhalten zu tragen. Es handle sich aber klar um einen Fall von fahrlässiger Tötung.
18 Monate bedingt sei eine angemessene Strafe. Eine hohe Strafe mache wenig Sinn, sein Klient werde sowieso ein Leben lang an den Folgen seines fatalen Fehlers leiden.
Ausserdem sei die Vorgeschichte des Unfalls nicht eindeutig geklärt. Dass es sich um ein Rennen gehandelt habe, sei überhaupt nicht erwiesen. Unklar sei zudem die Rolle eines roten Autos, dass der Unfallverursacher im letzten Moment noch überholt haben soll, ehe er die Herrschaft über sein Fahrzeug verlor.
Mehrere Zeugen haben diesen Wagen beschrieben. Der Lenker konnte aber bis heute nicht ausfindig gemacht werden.
Freispruch für zweiten Fahrer gefordert
Der Verteidiger des zweiten Mannes betonte: «Mein Klient hat mit all dem nichts zu tun.» Das Vorgefallene sei eine absolute Katastrophe, die aber sein Klient auf keine Art und Weise hätte verhindern können. Er habe sich korrekt verhalten. Von einem Rennen könne keine Rede sein. Ein Freispruch sei angebracht.
Der Verteidiger geisselte auch die Vorverurteilung seines Klienten in den Medien, wo er als Raser gebrandmarkt worden sei. Dabei habe man ihm eine überhöhte Geschwindigkeit vor dem Unfall gar nicht nachweisen können, und er habe beim verhängnisvollen Überholmanöver den Kollegen nicht schikaniert.
Gerichtspräsidentin Sonja Koch will das Urteil am kommenden Montag (14. Dezember) verkünden.