Die Basel Sinfonietta gibt Scheherazade eine Stimme: mit Musik und Texten zu Träumen und Albträumen.
Märchen sind wundersame Begebenheiten. Märchen laden zum Träumen ein. Märchen sind grausam. All diese Aspekte in ein einziges Konzertprogramm zu packen, ist eine hohe Kunst – und doch ist es typisch für die Basel Sinfonietta, dass ihnen genau das gelingt. «Mär & Nightmare» heisst das nächste Konzertprojekt des basisdemokratisch verwalteten Klangkörpers, und es verbindet ganz unterschiedliche Werke zu einem Abend über die eineiigen Zwillinge Traum und Albtraum.
Als Erzählerin tritt dabei Scheherazade höchstpersönlich auf. Sie war es, die dem persischen König Schahrayâr 1001 Nacht lang Märchen erzählte. Diese Geschichten fesselten ihn so sehr, dass er von seiner Gewohnheit abliess, Nacht für Nacht eine Frau zu töten – ein Schicksal, das Scheherazade ebenfalls drohte. Die Märchensammlung 1001 Nacht ist bekannt – die Gefühle Scheherazades aber wurden kaum je thematisiert. Nun hat der Journalist Christopher Zimmer Zwischendialoge verfasst, in denen die Gedanken Scheherazades zur Sprache kommen. Wie ein roter Faden ziehen sie sich durch den Abend und stellen Verbindungen zwischen Kompositionen her, die man gemeinhin als einander fremd bezeichnen würde.
Richard Wagners «Der Ritt der Walküren» etwa, jenes heroische Triumphgeheul, das in Francis Ford Coppolas Kriegsfilm «Apocalypse now» eine verstörend perfekte Filmmusik für den Hubschrauberangriff der Luftkavallerie auf ein vietnamesisches Dorf liefert, steht hier für den Mut Scheherazades, den Grausamkeiten des Königs mit ihren Märchen ein Ende zu setzen.
Süffiges Werk
Ihren Gefühlstaumel ob diesem gefährlichen Unterfangen soll Bernd Alois Zimmermanns «Märchensuite» illustrieren. Dieses süffige, klangvolle Werk, das schon 1950 entstand, wurde erst 2001 wiederentdeckt – und kommt nun zur Schweizer Erstaufführung, ebenso wie Reinhard Fuchs’ «Wo Angst auf Umhülle prallt» für Frauenstimme und Orchester aus dem Jahr 2001. Hier werden physische und psychische Grenzerfahrungen vertont, die zu albtraumhaften Visionen führen – in einer einzigen, sich steigernden musikalischen Erregungskurve.
Mit Anna Maria Pammer steht dabei eine ausgewiesene Spezialistin für zeitgenössische Musik auf der Bühne. Die Sopranistin wird zudem in den Dialogen zwischen den Werken die Stimme Scheherazades verkörpern – bis im letzten Programmpunkt dies die Solo-Violine übernimmt: in Nikolai Rimski-Korsakows sinfonischer Suite «Scheherazade», einem hochromantischen Happy End dieses märchenhaften Konzertabends.
Vorstellungen: Basel, Stadtcasino: Mittwoch, 14. März, 19.30 Uhr. Education-Projekt: Scheherazade – Phantasie rettet Leben, Münchenstein, Kultur- und Sportzentrum: Sonntag, 11. März, 17 Uhr. www.baselsinfonietta.ch
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.03.12