Die Flüchtlingsbewegung in Richtung Süditalien geht weiter. In der Nacht auf Freitag wurden etwa 1100 Migranten vor Sizilien von Schiffen der italienischen Marine in Sicherheit gebracht. Die Flüchtlinge befanden sich an Bord von sechs Schiffen, teilte die italienische Marine mit. Die meisten Flüchtlinge, darunter mehrere Kinder, stammen aus Syrien.
Seit Wochenbeginn haben rund 5000 Migranten die Küsten Süditaliens erreicht. Nach den Schiffsunglücken mit mehr als 300 Toten vor Lampedusa im vergangenen Oktober hat Italien mit einer strikteren Überwachung des Mittelmeerraums begonnen. Tausende Migranten hat die Marine seit Beginn der Aktion «Mare Nostrum» gerettet bzw. abgefangen.
«Mare Nostrum» (it.: «Unser Meer») soll Europas Mittelmeergrenze vor illegalen Einwanderern schützen. Die italienische Regierung rief die Militär-Operation im Herbst 2013 als Reaktion auf die Flüchtlingskatastrophe im selben Jahr bei Lampedusa ins Leben. Damals sank ein Kutter mit 545 Flüchtlingen aus Eritrea und Somalia, ungefähr 390 Menschen ertranken. Mittels Schiffen, Helikopter und Flugzeugen soll die Operation die italienische Küstenwache unterstützen.
Doch «Mare Nostrum» ist umstritten. Im Grundsatz betrachtet es Flüchtlinge als Sicherheitsproblem. Grenzschutz und die Rettung von Migranten sind zwei Ziele, die schwer miteinander vereinbar sind. Am Motiv, Migranten zu retten, kann gezweifelt werden. Italien lehnte im Oktober 2013 einen Vorschlag der EU-Kommission, den Grenzensicherungsdienst Frontex zur Rettung von Flüchtlingen in Seenot zu verpflichten, zunächst ab.
«Bossi Fini» kriminalisiert Seeretung
Während Italien die Todesopfer der Mittelmeerüberquerung regelmässig offiziell betrauert, kriminalisiert es deren Überlebende. Das Gesetzespaket «Bossi Fini», 2002 von der rechten Lega Nord eingeführt, macht seit dessen Verschärfung 2008 durch Silvio Berlusconi die Ein- und Durchreise als Flüchtling zur Straftat. Als Folge ignorieren durchfahrende zivile Schiffe Kutter in Seenot immer wieder, weil die Aufnahme von Flüchtlinge vom Gesetz als «Schlepperei» ausgelegt werden kann.
Die Behörden rechnen mit weiteren Ankünften in den kommenden Tagen. Laut Innenminister Angelino Alfano warten Schätzungen zufolge in Afrika etwa 300’000 bis 600’000 Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Europa. Er forderte mehr Unterstützung, um den Notstand bewältigen zu können. Insgesamt sind seit Jahresanfang mehr als 15’000 Flüchtlinge in Italien angekommen.