Die Schweizer Bischöfe haben am Montag einen Fonds für die Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen durch Priester und Ordensleute angekündigt. Er ist zurzeit mit 500’000 Franken dotiert. Zwischen 2010 und 2015 haben sich 223 Opfer gemeldet.
Im Anschluss an eine Gebets- und Bussfeier in der Basilika von Valeria in Sitten informierten Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der Vereinigung der Höheren Ordensoberen (VOS’USM) und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) über den Stand der Frage der sexuellen Übergriffe im Umfeld der katholischen Kirche. Besonders erdrückend sei die Situation der Opfer früherer sexueller Übergriffe, die nach staatlichem und kirchlichem Recht verjährt seien, sagte SBK-Präsident Charles Morerod an einer Medienkonferenz. Diese Opfer hätten während langer Zeit von kirchlichen Instanzen weder Gehör noch Genugtuung erhalten.
Nun existiere ein Genugtuungsfonds in der Höhe von rund 500’000 Franken, der von der SBK, der VOS’USM und der RKZ geäufnet worden sei, gab Morerod bekannt. Dieser Fonds sei ausschliesslich für die verjährten Fälle bestimmt. Eine eigenständige Kommission werde über die Ausrichtung und Höhe von Genugtuungbeiträgen entscheiden.
Präventionskurse geplant
Die Schweizer Bischofskonferenz hat im Weiteren die Richtlinien überarbeitet, wie Übergriffen auf Kinder oder Erwachsene vorzubeugen und wie mit Opfern und Tätern umzugehen ist. Der Geltungsbereich beschränkt sich nicht mehr nur auf Personen, die im engeren Sinne in der Seelsorge tätig sind, sondern umfasst alle im kirchlichen Bereich tätigen Personen wie beispielsweise in der Katechese, in der Jugend- und Sozialarbeit oder in der Kirchenmusik.
Bischof Felix Gmür, Vizepräsident der SBK, sagte an der Medienkonferenz, in seiner Diözese Basel werde jeder und jede der Mitarbeiter einen Präventionskurs absolvieren müssen. Diese Kurse würden von Psychologen, Psychiatern, Juristen oder auch Theologen vermittelt und sollten zu einer längfristigen Sensibilisierung führen.
Mitschuld anerkannt
Vor sechs Jahren, im Sommer 2010, hatten sich die Schweizer Bischöfe in der Gnadenkapelle von Einsiedeln erstmals öffentlich zur Mitschuld der Kirche am Leiden jener Menschen bekannt, die in der Vergangenheit im kirchlichen Umfeld sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. Sie hatte zudem dazu aufgerufen und ermutigt, dass sich Opfer melden.
Das Fachgremium «sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der SBK hat seit dem ersten Aufruf von 2010 jährlich eine Statistik der gemeldeten Fälle erstellt. Während 2010 im Zeichen des erstmaligen Aufrufs in der Schweiz 115 Fälle sexueller Übergriffe gemeldet wurden, waren die Zahlen in den folgenden Jahren deutlich niedriger.
24 gemeldete Fälle im vergangenen Jahr
24 Fälle sexueller Übergriffe wurden 2011 gemeldet, neun Fälle waren es im Jahr 2012, je elf Fälle in den Jahren 2013 und 2014 und 24 Fälle im Jahr 2015. Der grosse Teil der gemeldeten sexuellen Übergriffe geschah in der Zeit von 1950 bis 1990.
Von den 223 in den sechs Jahren gemeldeten Opfern waren zum Zeitpunkt der Taten 49 Kinder unter zwölf Jahren. 23 weibliche und 56 männliche Jugendliche waren zwischen zwölf und 16 Jahre alt. Hinzu kamen 43 erwachsene Frauen und 38 erwachsene Männer, die Opfer sexueller Übergriffe geworden waren. Bei 14 Opfern waren über das Alter zum Tatzeitpunkt keine Angaben erhältlich.
200 Kirchenleute als Täter
Was die gemeldeten Täter betrifft, weist die Statistik für die vergangenen sechs Jahre ein Total von 204 Tätern auf. Davon waren 103 Weltpriester, 47 Ordenspriester oder Ordensbrüder, elf Ordensfrauen, fünf Laientheologen oder Laientheologinnen. Sechs gemeldete Täter hatten andere Berufe und zu 32 Täterinnen oder Tätern waren keine Angaben erhältlich. Die Statistik erfasst laut SBK das ganze Spektrum möglicher Übergriffe – von sexuell gefärbten Äusserungen und Gesten bis zur Vergewaltigung und Schändung.
Die Schweizer Bischöfe und Ordensoberen rufen mögliche weitere Opfer dazu auf, sich an die kirchlichen Anlaufstellen oder an kantonale Opferhilfestellen zu wenden. Ihnne müsse Recht widerfahren und die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden, auch wenn die Übergriffe lange Zeit zurücklägen.