Vor 25 Jahren hat die Stadt Zürich eine Wende in der Drogenpolitik eingeleitet. Neben Prävention, Therapie und Repression setzt man seither auf Schadensminderung. Die neu entstandenen Angebote haben dazu beigetragen, der offenen Drogenszene ein Ende zu setzen.
Weg von der Verfolgung, hin zur Unterstützung: Für sein Departement sei die neue Drogenpolitik ein «prägender Beschluss» gewesen, sagte der Stadtzürcher Sozialvorstand Raphael Golta am Montag vor den Medien. Mit ihrem Paradigmenwechsel war die Stadt Wegbereiterin für eine veränderte Drogenpolitik auch auf nationaler Ebene.
Heute bietet die Kontakt- und Anlaufstelle (K&A) an vier Standorten in der Stadt Zürich niederschwelligen Zugang zu Überlebenshilfe und Beratung. Für ihre Klienten, die meist kein soziales Netz mehr haben, ist der Aufenthaltsraum zur «Ersatzstube» geworden, wie Abteilungsleiterin Regine Hoffmann erklärte.
Hier werden Kontakte geknüpft und gepflegt. Klienten kochen für Klienten, es gibt Dusche, Waschküche und Kleiderbörse. Mit kleinen Arbeiten, wie beispielsweise Thekendienst, können sich Besucherinnen und Besucher ein Zubrot von 4 Franken pro Stunde verdienen.
Hygienische Bedingungen für Drogenkonsum
Weiteres Herzstück der K&A sind die Konsumationsräume, wo die Klienten ihre mitgebrachten Drogen unter hygienisch einwandfreien Bedingungen konsumieren können. In der K&A in der Militärstrasse gibt es zwei nebeneinanderliegende Räume. Im einen können Drogen gespritzt, im anderen geraucht werden.
Um bei medizinischen Notfällen einzugreifen und die Einhaltung der Regeln zu überwachen, ist stets Personal ist vor Ort. Weil sich im Inhalationsraum, trotz extra starker Lüftung, ausser den Konsumenten niemand aufhalten kann, erfolgt die Kontrolle durch eine grosse Glasscheibe in der Tür.
Jeden Tag besuchen zwischen 30 und 50 Personen die K&A. Alles in allem seien es über 800 Klientinnen und Klienten mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren, sagte Regine Hoffmann.
Niederschwellige medizinische Betreuung
Ein wichtiges Angebot der Stadt Zürich ist auch das Ambulatorium in der Kanonengasse. Hier finden nicht nur Drogensüchtige sondern alle marginalisierten Menschen ein niederschwelliges medizinisches Angebot. Neben einer allgemeinmedizinischen gibt es eine gynäkologische und eine zahnärztliche Sprechstunde.
Ausserdem werden hier Medikamente und Substitutionsmittel ausgegeben oder die Einnahme von Medikamenten überwacht. Eine Sozialberatung ergänzt das Angebot.
Vor 25 Jahren ebenfalls auf den Weg gebracht worden sind Beschäftigungsprogramme, die neben einem kleinen Einkommen für eine Tagesstruktur sorgen. Ausserdem wurden Notschlafstellen eingerichtet und begleitetes Wohnen eingeführt. Nicht zuletzt gehört zu den städtischen Angeboten auch die Suchtbehandlung Frankental.
«Gesetzgebung nicht mehr aktuell»
Besonders wichtig bei der Drogenpolitik sei eine departementsübergreifende Strategie, sagte Stadträtin Claudia Nielsen. Die Vorsteherin des Gesundheits- und Umweltdepartements sieht weiterhin grosse Herausforderungen.
Wichtig sei zum einen die Finanzierung der Suchthilfe. Da Drogenkonsumenten weniger auf der Strasse zu sehen seien, sei der politische Wille kleiner geworden.
Weitere Herausforderungen für die Zukunft sind laut Nielsen die Aus- und Weiterbildung von Medizinern sowie die Sucht im Alter. So entwickeln 10 Prozent der alten Menschen eine schädliche Sucht, wie etwa Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit.
Und schliesslich sei die Gesetzgebung nicht mehr aktuell, beispielsweise gibt es andere Suchtmittel. Es brauche daher eine neue und kohärente Suchtpolitik. Dafür sei man jedoch auf die Unterstützung des Bundes angewiesen.