Wenn sich in den Zügen in Richtung Ostschweiz Rucksäcke stapeln und am Bahnhof St. Gallen Bier in PET-Flaschen verkauft wird, dann ist es wieder soweit: Vor den Toren der Gallusstadt steigt das Openair, Musikliebhaber und Feierwütige strömen ins Sittertobel.
Viele von ihnen – 20‘000 an der Zahl – fanden bereits am Donnerstagabend den Weg aufs Festgelände. Sie hatten sich im Vorfeld ein «Nachtschwärmer»-Ticket gesichert. 1500 Personen liessen es sich nicht nehmen, bereits am Mittwoch im Warteraum vor den Eingangstoren zu campieren, wie Mediensprecherin Sabine Bianchi auf Anfrage sagte.
Von Freitag bis Sonntag werden dann täglich rund 30‘000 Personen im Tobel erwartet. Kurzentschlossene können höchstens noch auf ein überteuertes Billett auf dem Schwarzmarkt hoffen. Bereits im März konnten die Veranstalter vermelden, dass die 39. Ausgabe des Festivals ausverkauft ist.
Altbekannte und schwer Angesagtes
Das Programm auf der Hauptbühne wird am Freitagnachmittag vom Schweizer Duo Wolfman sanft eröffnet. Den Schlusspunkt setzt am Sonntagabend der schottische Sänger Paolo Nutini. Dazwischen wird vom Punkrock bis zum Rap jede Stilrichtung dargeboten.
Unter den fetten Namen auf dem Line-up finden sich zwei Altbekannte: Das britische Electronica-Duo The Chemical Brothers stand bereits 2002 auf der Hauptbühne des Sittertobels. Im Gepäck haben sie ein neues Studioalbum, das in wenigen Tagen erscheint.
Keine neue Musik ist von Placebo zu erwarten: Das letzte Album mit mal melancholischen, mal treibenden Rocksongs veröffentlichte das Trio um den androgynen Frontmann Brian Molko bereits 2013. Die Kritiken fielen durchzogen aus.
Anders die Reaktionen auf die letztjährigen Veröffentlichungen zweier US-Bands, die am Freitagabend programmiert sind: Sowohl der elegische Gitarren-Rock von The War On Drugs als auch der Synthie-Pop der Future Islands fand sich in jeder Jahresbestenliste. Schwer angesagt ist derzeit auch der neue Austropop. Mit Wanda konnte das Team um Programmchef Christof Huber die Speerspitze der Wiener Szene verpflichten.
Keine Überraschungen sind von Noel Gallagher zu erwarten. Der 48-jährige Brite kann zwar auch Solo nicht mehr an die frühen Grosstaten von Oasis anknüpfen, schüttelt aber weiterhin scheinbar mühelos Melodien aus dem Handgelenk. Gallagher – sofern gut gelaunt – verspricht einer der Höhepunkte des Wochenendes zu werden.
Musik als Beigemüse
Für viele ist die Musik aber bestenfalls Beigemüse, für sie zählt das Gesamterlebnis, das Abtauchen in die Parallelwelt der Zeltstadt. Mit dem legendären Woodstock hat die Veranstaltung aber nicht mehr viel gemein. Unzählige Markenlogos pflastern das Gelände und zeugen von der Kommerzialisierung von Freiluftveranstaltungen dieser Grössenordnung.
Den Veranstaltern bleiben aber wenige Alternativen. Eine ständig wachsende Zahl von Openairs buhlt um die Stars, die Gagen sind in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches gestiegen. Die Macher des St. Galler Festivals bezeichneten die diesjährige Erhöhung der Eintrittspreise um rund 10 Prozent denn auch als «unumgänglich».
Bleibt noch der Blick gen Himmel. Der Regen, der in der Stadt St. Gallen in früheren Jahren auch schon die Gummistiefel zu einem knappen Gut werden liess, dürfte weitgehend ausbleiben, einzig am Samstag werden kurze Gewitter erwartet.