Ja zum Dauerbetrieb in Tankstellenshops: 55,8 Prozent der Stimmenden haben eine Änderung des Arbeitsgesetzes angenommen. Diese schafft die Voraussetzung dafür, dass Tankstellenshops für den Verkauf des gesamten Sortiments rund um die Uhr Personal beschäftigen dürfen.
Für die Liberalisierung sprachen sich rund 1’324’500 Personen aus, dagegen 1’049’500. Nein sagte die Mehrheit in den Kantonen Jura, Wallis, Uri, Neuenburg und Freiburg, am deutlichsten im Kanton Jura mit einem Nein-Stimmen-Anteil von über 65 Prozent.
In urbanen Gebieten war die Zustimmung tendenziell deutlicher als in ländlichen, wo Skepsis gegenüber der 24-Stunden-Gesellschaft zu herrschen scheint. Dies gilt auch für die Westschweizer Kantone: Im Kanton Genf sagten 57 Prozent Ja, im Kanton Waadt 55 Prozent. Ein klares Stadt-Land-Muster war indes nicht erkennbar.
Zustimmung abhängig vom Einkommen
Die deutlichste Zustimmung resultierte in den Kantonen Zug und Tessin, wo fast 64 Prozent der Stimmenden Ja sagten, gefolgt von Zürich und Nidwalden (rund 63 Prozent) sowie Graubünden (60 Prozent). Ein knappes Ja gab es in Appenzell-Innerrhoden, Appenzell-Ausserrhoden und Thurgau. Laut Claude Longchamp vom Forschungsinstitut gfs.bern war die Zustimmung dort hoch, wo das durchschnittliche Einkommen hoch ist.
Gesamthaft fiel das Resultat am Ende etwas deutlicher aus als nach den Umfragen erwartet worden war. Die Mehrheit folgte den Argumenten der Befürworter aus den Reihen der bürgerlichen Parteien, die geltend gemacht hatten, es gehe um eine Bagatelle.
Keine Absperrungen mehr
Das Ja bedeutet, dass Tankstellenshops an Autobahnen und Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr künftig für den Verkauf sämtlicher Produkte aus ihrem Sortiment nachts Personal beschäftigen dürfen.
Heute darf die Tankstelle nachts Benzin verkaufen, das Tankstellenbistro Produkte wie Kaffee und Sandwiches. Der eigentliche Tankstellenshop in derselben Lokalität bleibt aber zwischen 1 Uhr und 5 Uhr geschlossen. Damit muss ein Teil des Ladens nachts abgesperrt oder abgedeckt werden.
Bratwurst-Slogan verfing
Diese Beschränkungen seien unsinnig, denn das Personal sei ohnehin anwesend, argumentierten die Befürworterinnen und Befürworter, die mit dem Slogan «Bratwürste legalisieren» für ein Ja warben. Dass der Staat vorschreibe, welche Produkte nachts verkauft werden dürften, sei absurd. Offenbar verfing diese Argumentation.
Die Gewerkschaften hatten ihrerseits gewarnt, dass mehr Angestellte von Tankstellenshops nachts arbeiten müssten. Vor allem aber bekämpften sie die Gesetzesänderung mit Blick auf weitere geplante Liberalisierungsschritte. Was heute bei den Tankstellenshops gelte, sei morgen im gesamten Detailhandel die Regel, warnte Unia-Co-Präsidentin Vania Alleva. Es gelte, die Salami-Taktik zu unterbinden.
Nächstes Thema: Öffnungszeiten
Nun haben die Stimmenden zwar die Liberalisierung für die Tankstellenshops gutgeheissen. Mit dem relativ hohen Nein-Stimmen-Anteil von über 44 Prozent setzten sie dennoch ein Zeichen im Sinne der Gewerkschaften, die sich im Kampf gegen weitere Liberalisierungsschritte bestärkt fühlen dürften. Ein Erfolg beim nächsten Anlauf scheint jedenfalls nicht aussichtslos.
Als nächstes werden längere Öffnungszeiten für den Detailhandel zu reden geben. Das Parlament verlangt, dass Detailhändler künftig in der ganzen Schweiz ihre Produkte werktags bis 20 Uhr und samstags bis 19 Uhr verkaufen dürfen. Die Bundesverwaltung arbeitet derzeit eine Vorlage zur Umsetzung aus. Stimmen National- und Ständerat dieser am Ende zu, könnte erneut das Volk das letzte Wort haben.
Gleiches Recht für Quartierläden?
Ebenfalls gelockert werden sollen nach dem Willen des Parlaments die Bestimmungen über Sonntagsarbeit für Shopping-Center in Tourismusgebieten. Die Räte stimmten einer entsprechenden Motion zu. Hintergrund war der Streit um das Shopping-Center FoxTown in Mendrisio TI, in welchem jahrelang rechtswidrig Sonntagsarbeit toleriert wurde.
Eine weitere Forderung hat direkt mit der Lockerung für Tankstellenshops zu tun: Damit andere kleine Läden dadurch nicht benachteiligt werden, sollen nach dem Willen der Grünliberalen auch sie nachts Personal beschäftigen dürfen. Ob das Volk diesen weitgehenden Liberalisierungen zustimmen würde, bleibt offen. Für die Gewerkschaften geht es dann tatsächlich um die Wurst.