Bei einer Gefängnisrevolte in Manaus in Brasilien sind nach offiziellen Angaben 56 Häftlinge getötet worden, mehrere von ihnen wurden geköpft. Erst nach 17 Stunden gewannen die Sicherheitskräfte die Kontrolle zurück. Mehr als 140 Häftlinge sind auf der Flucht.
Die Meuterei im Gefängnis Anísio Jobím war am Sonntag ausgebrochen, als rivalisierende Häftlingsgruppen aneinander gerieten – mutmasslich ging es um die Kontrolle des Drogenhandels in der Anstalt. Zwölf Gefängniswärter und zahlreiche Häftlinge seien zeitweise als Geiseln genommen worden, teilten die Sicherheitsbehörden des Bundesstaates Amazonas mit.
Es handle sich um «das grösste Blutbad, das in einem Gefängnis im Amazonas begangen wurde», sagte der Sicherheitschef des Bundesstaats, Sergio Fontes. «Viele wurden geköpft und alle haben viel Gewalt erlitten.» Zunächst hatten die Behörden sogar von 60 Toten gesprochen, später korrigierten sie die Opferzahl nach unten.
Zwei Banden
Während der Verhandlungen über die Freilassung der zwölf gefangengenommenen Wärter hätten die aufständischen Häftlinge «praktisch nichts gefordert», sagte Fontes dem Radiosender Tiradentes. Sie hätten nur verlangt, dass die Polizei nicht mit exzessiver Gewalt die besetzten Räume stürmt.
«Wir glauben, dass sie schon getan hatten, was sie wollten: Mitglieder der rivalisierenden Organisation töten und die Garantie bekommen, dass sie von der Polizei nicht angegriffen werden», sagte Fontes.
Laut Fontes hatten sich die zwei Kriminellenbanden Primer Comando de la Capital (PCC) aus São Paulo und der örtlichen Bande Familia del Norte (FDN) von Sonntagnachmittag bis Montagmorgen (Ortszeit) in dem Gefängnis bekämpft. Nachdem die Anstalt wieder unter Kontrolle der Behörden war, entdeckten diese 16 Fluchttunnel.
Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete von blutüberströmten und verbrannten Leichen, die in einem betonierten Hof des Gefängnisses übereinander gestapelt lagen. Die Aufständischen sollen sechs geköpfte Leichen aus dem Gebäude geworfen haben.
Als Reaktion auf die Gefängnisrevolte wurden knapp 130 Häftlinge mit Verbindungen zu einer der beteiligten Banden in eine andere Anstalt verlegt worden. Sie hätten Todesdrohungen erhalten und seien in ein Gefängnis im Zentrum Manaus gebracht worden, das erst im Oktober geschlossen worden sei, berichtete das Portal «O Globo».
Koordinierte Revolten
112 Insassen des Anisio-Jobim-Gefängnisses hatten das Chaos nach Angaben der Behörden zur Flucht genutzt. Kurz zuvor waren bereits 72 weitere Straftäter aus einer benachbarten Haftanstalt ausgebrochen.
Nur insgesamt 40 Entflohene konnten nach Behördenangaben zunächst gefasst werden. Schwer bewaffnete Polizisten suchten nach den Häftlingen.
In einem dritten Gefängnis in unmittelbarer Nähe unterdrückten die Sicherheitsbehörden einen Aufstand rasch. Die Revolten waren nach Regierungsangaben koordiniert.
Dutzende Angehörige von Häftlingen versammelten sich vor der Haftanstalt, um Auskunft über inhaftierte Verwandten zu bekommen. Medienvertretern wurde der Zutritt verweigert.
Überfüllte Anstalten
Aufstände und Kämpfe kommen in den überfüllten brasilianischen Gefängnissen häufig vor, oft werden Haftanstalten faktisch von Drogenbanden kontrolliert. Der Vorfall in Manaus ist der blutigste seit der Meuterei 1992 in der Haftanstalt von Carandiru in São Paulo. Dort kamen 111 Häftlinge um, als die Polizei das Gefängnis stürmte.
Erst im Oktober waren bei Auseinandersetzungen zwischen der PCC und der Bande Comando Vermelho in drei Gefängnissen insgesamt 33 Menschen getötet worden.
Ende 2014 gab es in Brasilien einem Bericht des Justizministeriums zufolge 622’000 Gefangene. Brasilien hat weltweit die viertgrösste Gefangenenpopulation nach den USA, China und Russland. Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren die Zustände in den brasilianischen Haftanstalten.