Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation können sich künftig in der ganzen Schweiz einfacher einbürgern lassen. Im vierten Anlauf haben Volk und Stände am Sonntag eine Verfassungsänderung deutlich gutgeheissen.
60,4 Prozent der Stimmenden und 19 Kantone sagten Ja. Das Ständemehr wurde damit problemlos erreicht. Die Kantone, die aufgrund früherer Abstimmungen zum Thema als Kipp-Kantone galten, stimmten alle zu. Insgesamt hiessen rund 1’499’600 Personen die Verfassungsänderung gut, 982’800 Personen lehnten diese ab.
Die deutlichste Zustimmung verzeichneten die Westschweizer Kantone, allen voran Neuenburg mit rund 75 Prozent, gefolgt von Genf mit 74, Waadt mit 73 und Jura mit 71 Prozent. Ein knappes Ja resultierte in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden (50,9), Nidwalden (50,4), und Tessin (50,2).
Nein sagten sieben Kantone, am deutlichsten der Kanton Appenzell Innerrhoden mit über 56 Prozent, gefolgt von Schwyz, Uri und Obwalden mit je rund 54 Prozent. Ein knappes Nein gab es in den Kantonen Glarus (50,4), St. Gallen (50,2), und Thurgau (50,02).
Eine Selbstverständlichkeit
Für ein Ja hatten sich alle grossen Parteien mit Ausnahme der SVP eingesetzt. Sie machten geltend, es gehe um eine Selbstverständlichkeit. Die Enkel von Einwanderern hätten kaum eine Verbindung zum Herkunftsland, ihre Heimat sei die Schweiz.
Die SVP warnte vor «Masseneinbürgerungen». Unterstützung erhielt sie von einigen CVP- und FDP-Vertretern, die sich dagegen wehrten, dass die Kantone Kompetenzen an den Bund abtreten. Bei einer Mehrheit der Stimmenden verfing dieses Argument aber offenbar genauso wenig wie das umstrittene Burka-Plakat.
Die SVP muss damit eine weitere Niederlage in der Ausländerpolitik hinnehmen. Vergangenes Jahr hatte sie bereits die Abstimmungen zur Durchsetzungsinitiative und zum neuen Asylgesetz verloren.
Voraussichtlich ab 2018
In der Verfassung ist nun verankert, dass der Bund die Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration erleichtert. Die Details hat das Parlament bereits im Gesetz geregelt. Dagegen könnten die Gegner noch das Referendum ergreifen, doch haben sie angekündigt, das nicht tun zu wollen.
Somit könnte die erleichterte Einbürgerung zusammen mit dem revidierten Bürgerrechtsgesetz kommendes Jahr in Kraft treten. Dieses sieht strengere Voraussetzungen für die Einbürgerung vor. Einbürgern lassen kann sich nur noch, wer eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) hat und gut integriert ist. Dazu gehört, dass der Einbürgerungswillige keine Sozialhilfe bezieht.
In der Schweiz geboren
Das wird auch für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation gelten. Für das erleichterte Verfahren müssen sie zusätzliche Kriterien erfüllen. In Frage kommt dieses Verfahren nur für Personen, die in der Schweiz geboren worden sind und während mindestens fünf Jahren die Schule besucht haben.
Sie müssen mit amtlichen Dokumenten glaubhaft machen, dass mindestens ein Grosselternteil ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz besass. Welche Dokumente gelten, wird der Bund in einer Verordnung regeln.
Ein Elternteil muss eine Niederlassungsbewilligung erworben, sich mindestens zehn Jahre in der Schweiz aufgehalten und mindestens fünf Jahre die Schule besucht haben. Das Gesuch darf nur bis zum 25. Geburtstag eingereicht werden, während einer Übergangsfrist bis zum vollendeten 35. Lebensjahr.
Bund prüft Gesuche
Ob alle Kriterien erfüllt sind, prüft der Bund. Er holt dazu Informationen beim Kanton ein, der sich seinerseits bei der Gemeinde erkundigen kann. Die Dauer des Verfahrens und die Kosten sind bereits in der Bürgerrechtsverordnung geregelt.
Für Erwachsene verrechnet das Staatssekretariat für Migration 500 Franken, für Minderjährige 250 Franken. Hinzu kommen jeweils höchstens 400 Franken für die Erstellung eines Berichts durch den Wohnkanton.
Nach Angaben des Bundes erfüllen rund 25’000 Personen die Kriterien für eine erleichterte Einbürgerung. Beim weitaus grössten Teil handelt es sich um Italienerinnen und Italiener. In den nächsten zehn Jahren kommen durchschnittlich pro Jahr 2300 Personen neu für eine erleichterte Einbürgerung in Frage.
Mehrere Anläufe
Heute sind die Bestimmungen in jedem Kanton anders. Viele Kantone kennen bereits Erleichterungen für junge Ausländerinnen und Ausländer und verzichten beispielsweise auf den Sprachtest oder auch den Staatskundetest, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. In einigen Kantonen gibt es dagegen keine Erleichterungen.
Das Ja vom Sonntag ist ein Ja zu einer Minimalvariante. Weitergehende Vorlagen hatte das Stimmvolk in den Jahren 1983, 1994 und 2004 abgelehnt. Bei der letzten Abstimmung war es um Erleichterungen für Secondos und die automatische Einbürgerung der dritten Generation gegangen.
Die Vorlage zur dritten Generation scheiterte damals relativ knapp am Volksmehr, mit 52 Prozent. Das Ständemehr verfehlte sie aber deutlich. Bereits die Vorlage von 1994 war am Ständemehr gescheitert.