7 amerikanische Verschwörungstheorien

Vor 50 Jahren, am 22. November 1963, wurde der US-Präsident John F. Kennedy durch ein Attentat in Dallas getötet. Um die Hintergründe der Ermordung ranken sich bis heute Gerüchte. Kein Einzelfall: Die Geschichte der USA ist voll von modernen Mythen, Verschwörungstheorien und Gerüchten über tatsächliche wie vertuschte Ereignisse. Vor 50 Jahren, am 22. November 1963, […]

Vor 50 Jahren, am 22. November 1963, wurde der US-Präsident John F. Kennedy durch ein Attentat in Dallas getötet. Um die Hintergründe der Ermordung ranken sich bis heute Gerüchte. Kein Einzelfall: Die Geschichte der USA ist voll von modernen Mythen, Verschwörungstheorien und Gerüchten über tatsächliche wie vertuschte Ereignisse.

Vor 50 Jahren, am 22. November 1963, wurde der US-Präsident John F. Kennedy durch ein Attentat in Dallas getötet. Um die Hintergründe der Ermordung ranken sich bis heute Gerüchte. Kein Einzelfall: Die Geschichte der USA ist voll von modernen Mythen, Verschwörungstheorien und Gerüchten über tatsächliche wie vertuschte Ereignisse.

1. Der Mord an John F. Kennedy

200’000 Menschen säumten die Strassen, als John F. Kennedy, als 35. Präsident der USA seit zwei Jahren im Amt, in der Präsidentenlimousine im Schritttempo vom Dealey Plaza in die Elm Street von Dallas, Texas, einbog. Vierzig Minuten dauerte die Fahrt und stand kurz vor ihrem Ende, das Podest, auf dem «JFK» eine Rede halten sollte, war schon in Sichtweite. Da fielen drei Schüsse.

Kennedy kam vor allem aussenpolitisch als angeschlagener Präsident nach Dallas. In seinem ersten Jahr der Präsidentschaft lancierten kubanische Exilanten, unterstützt durch die CIA, eine militärische Invasion auf die Revolutionsregierung Castros. Der Angriff, «Schweinebuchtinvasion» genannt, schlug fehl und geriet zum politischen Debakel für die USA – vor den Vereinten Nationen, vor allem aber vor dem ideologischen Feind, der Sowjetunion: ein Jahr später standen sowjetische Nuklearraketen auf Kuba, quasi vor der Haustür der USA. Eine Woche lang stand die Welt im Oktober 1962 kurz vor einem neuen, atomaren Weltkrieg, bis der sowjetische Generalsekretär Chruschtschow Kennedy einen Invasionsverzicht für Kuba abrang. Die Kubakrise war beendet, mit einem taktischen Sieg für Chruschtschow.

Sowohl auf die Schweinebuchtinvasion wie auf die Kubakrise reagierte Kennedy nicht so, wie es sich einige seiner Militärs vorgestellt hatten: vor der UNO nahm der Präsident die Verantwortung der gescheiterten Invasion auf sich und lehnte alle folgenden Pläne seiner Berater, Castro zu stürzen, ab. Nach der Kubakrise entzog er den Generälen den direkten Zugriff auf die amerikanischen Atomwaffen, indem er ihren Einsatz an einen Freischaltcode koppelte, über den nur der Präsident verfügt. Nach der Kubakrise richteten die USA und die Sowjetunion zudem das «rote Telefon», den direkten Verbindungsdraht zwischen Washington und Moskau ein, ausserdem vereinbarte Kennedy mit Chruschtschow das Ende oberirdischer Atomwaffentests.

Das – und sein innenpolitischer Einsatz für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner – brachte Kennedy nicht nur Bewunderer, sondern auch Feinde ein, vor allem in den Südstaaten der USA: In Dallas bildeten sich Bürgerkommitees, die Kennedy «Hochverrat» vorwarfen. Ein Monat zuvor wurde zudem der US-Botschafter der Vereinten Nationen am selben Ort von wütenden Demonstranten, die in der UNO eine kommunistische Verschwörung sahen, bespuckt und geschlagen.

An diesem 22. Oktober war die Stimmung jedoch eine andere: die Menschenmassen am Strassenrand jubelten dem Präsidenten zu, als seine Limousine vorbei fuhr, worauf die Frau des texanischen Gouverneurs, ebenfalls Passagiere in der Limousine, sich zu Kennedy drehte und ihm sagte: «Mr. President, man kann nicht behaupten, dass Dallas sie nicht verehrt.» Kennedy erwiderte: «Nein, das kann man wirklich nicht behaupten.» Es waren seine letzten Worte.

Darauf fielen mehrere Schüsse aus einem angrenzenden Schulhaus, durchschlugen Kennedys Hals, Brust sowie seine rechte Hirnhälfte. Eine halbe Stunde später wurde er im Parkland Memorial Hospital für tot erklärt.  

Am selben Tag verhaftete die Polizei Lee Harvey Oswald, den mutmasslichen Schützen und Einzeltäter. Mutmasslich, weil nie ein Prozess stattfinden konnte: Oswald wurde zwei Tage später, während seiner Überführung vom Polizeihauptquartier in das Bezirksgefängnis Dallas, erschossen. Von Jack Ruby, einem Nachtclubbesitzer mit Verbindungen zur Mafia. Ruby selbst starb drei Jahre später im Gefängnis an einer Lungenembolie.

Ob Oswald ein Einzeltäter war, wie verschiedene, zum Teil eilig erstellte und nicht alle Zweifel ausräumende Untersuchungsberichte festhielten, oder ob er ein Auftragsmörder war – man weiss es nicht. Oswald nahm die Antwort ins Grab. Die Frage wird seither in den USA immer wieder diskutiert: ballistische Untersuchungen, abweichende Zeugenaussagen sowie eine zweite Filmaufnahme vom Attentat, der sogenannte «Zapruder-Film», nährten und nähren die Vermutung, dass Oswald nur der Vollstrecker war, bezahlt von unbekannten Hintermännern: Die Mafia, weil Kennedy die Jagd der Justiz auf ihre führenden Köpfe forcierte. Die CIA, weil Kennedy sie nach dem Fiasko der Schweinebuchtinvasion unter Aufsicht stellte. Fidel Castro als Rache für verschiedene Attentats- und Invasionsversuche (oder seine Gegner, die Exilkubaner, weil Kennedy von den Invasionsversuchen nach 1961 abliess). Die Sowjetunion – Oswald hatte nachweislich eine Zeitlang dort gelebt. Die Militärs, weil Kennedy ihre Macht beschnitt und den Kalten Krieg kalt bleiben liess.

Vielleicht wird man 2017 erfahren, wie es wirklich war: dann läuft die Sperrfrist für die Akten der Warrant-Untersuchung, die offizielle (und stets angezweifelte) Untersuchung des Mordes unter Aufsicht von Kennedys Vize und Nachfolger im Präsidentschaftsamt, Lyndon B. Johnson, ab. Bis dann bleiben das Kennedy-Attentat und die es umgebenden Verschwörungstheorien beliebtes Futter für die Unterhaltungsmedien. Bekanntestes Beispiel: der Kinofilm «JFK» von Oliver Stone.

2. Die Ufos von Roswell und Area 51

Für Ufologen war der vergangene 15. August ein Tag der Erwartung: das Nationale Sicherheitsarchiv der USA veröffentlichte zusammen mit der CIA den Bericht «The Secret History of the U-2». Das klang schon geheimnisvoll genug, elektrisierend dürfte jedoch der Titelzusatz gewesen sein: «And Area 51».

Area 51 kennt, wer «Akte X», Indiana Jones oder «Independence Day» kennt: Die militärische Sperrzone im US-Bundesstaat Nevada, über 1000 Quadratkilometer gross, gehörte zu einem der bestgehüteten Geheimnisse der USA. Offiziell hat die amerikanische Regierung die Existenz dieser Zone nie bestätigt oder dementiert, die Zone ist so geheim, dass sie nicht einmal in den Katasterunterlagen der US-Behörden auftauchte. Gerüchte ranken sich um sie seit den 50er Jahren. Am bekanntesten ist der Mythos, der mit einer anderen amerikanischen Verschwörungssaga verschmolz: dem «Roswell-Zwischenfall». 1947 soll in der Kleinstadt Roswell in New Mexico ein Ufo abgestürzt, die Trümmer und Leichen der Aliens in die Sperrzone Area 51 geschafft worden sein. In den 50er Jahren haben ausserdem Piloten, die in der Nähe unterwegs waren, Lichtblitze und rasend schnelle Flugobjekte hoch über ihnen erblickt, deren Routen in keinem Flugplan auftauchten. Kein Zweifel: Was die Air Force von den abgestürzten Ausserirdischen gelernt hatten, wandte sie offenbar nun selbst an.

Der CIA-Bericht hat nun, rund 60 Jahre später, die Wahrheit da draussen gelüftet. Für Verschwörungstheoretiker dürfte sie ernüchternd sein (sofern sie ihr überhaupt Glauben schenken): In den 50er Jahren entwickelte und testete die USA dort den Spionageflugzeugtyp U2, der höher und schneller flog als bisher bekannte Maschinen. Das Flugzeug war zur Spionage gegen die UdSSR geplant und blieb daher streng geheim, so konnten weder Piloten noch Bewohner auf der Erde die «Blitze», die der Silbervogel durch Sonnenreflektionen erzeugte, erklären. Die Folge: Ufo-Meldungen nahmen in der Zone um Area 51 rasant zu. Auch spätere, noch besser entwickelte Spionageflieger wie die Lockheed A-12 wurden im Sperrgebiet von Nevada entwickelt, und nach dem Sputnik-Schock testeten die USA dort die Landrovers und Raketensysteme für die Apollo-Missionen. So kam es, dass die Area 51 als Schauplatz für einen weiteren beliebten US-Verschwörungsmythos herhalten musste: die erfundene Mondlandung.

3. Die Mondlandung aus dem Filmstudio (1969)

Am 21. Juli 1969 tat Neil Armstrong als erster Mensch den kleinen Schritt in den Mondstaub, der so gross für die Menschheit sein sollte. Die Mission Apollo 11, der neben Armstrong Buzz Aldrin und Michael Collins angehörten, war ein Meilenstein der Raumfahrtgeschichte und ein immenser Prestigeerfolg der USA im stellaren Rennen gegen den Klassenfeind: die Sowjetunion hatte den ersten Satelliten und den ersten Menschen ins All geschickt, nun konnten endlich die USA auftrumpfen. Weil die Furcht vor Spionage in der Entwicklung der Raumfahrttechnologie gross und begründet war, unterlag die Arbeit der US-Raumfahrtbehörde Nasa strengster Geheimhaltung. Alles, was die Öffentlichkeit davon zu sehen bekam, waren die Resultate: Fotos von Raketen, Filmaufnahmen vom Mond.

Diese Aura der Geheimhaltung und der Zwang für die Amerikaner, im ideologischen Allwettlauf Schritt zu halten, boten den Nährboden für eine gewaltige Verschwörungslegende. 1976 publizierte der US-Autor Bill Kaysing sein Buch «We Never Went To The Moon», das nach Widersprüchen in der Dokumentation zur Mondlandung suchte und erstmals das Gerücht des «Moon Hoax» als handfeste Enthüllung formulierte: Armstrong und Co. waren nichts als Schauspieler, deren grosser Schritt in einem Filmstudio in der Wüste von Nevada gedreht worden sei. Seither hat sich die These vervielfältigt, wobei die vermutlichen Indizien dieselben bleiben: der ideologische Zwang zum Erfolg, die Mondreise als Ablenkungsmanöver vom Desaster des Vietnamkriegs, die Vertrauenskrise der US-Regierung nach der Watergate-Affäre, sowie eine ganze Reihe von technischen Einwänden: nicht parallel verlaufende Schattenwürfe (Studiolampen als Lichtquellen!), das flatternde Sternenbanner auf dem Mond (obwohl keine Atmosphäre und daher kein Wind!), die Strahlenbelastung im Magnetgürtel zwischen der Erde und dem Mond (eine tödliche Dosis!), und einiges mehr.

Alle Verschwörungsthesen zur Mondlandung sind mittlerweile entkräftet, das Gerücht hält sich dennoch wacker weiter – und ist in die Popkultur eingeflossen. Schon bei James Bond wurde auf den Mythos zurückgegriffen, er taucht in mehreren Kinofilmen, TV-Serien und Computergames auf und wurde selbst zum Opfer eines Hoax: der aus Tunesien stammende israelische Regisseur William Karel hat 2002 die Fake-Dokumentation «Kubrick, Nixon und der Mann im Mond» gedreht, die scheinbar entschlüsselt, wie die Nixon-Regierung den Weltraum-erprobten Regisseur Stanley Kubrick beauftragte, unter strengster Geheimhaltung und mit Regierungsbeamten als Darstellern die Mondlandung für den Fall eines Scheiterns nachzudrehen. Karels Mockumentary ist eine brillante Persiflage auf die Indizienbasteleien von Verschwörungstheoretikern – und eine eindrückliche Parabel auf die manipulativen Potentiale der Massenmedien.

4. 9/11

Der Morgen des 11. September 2001 hat das 21. Jahrhundert eingeläutet: 19 muslimische Terroristen der Terrorzelle al-Qaida kidnappten vier amerikanische Zivilflugzeuge und rasten mit ihnen in die beiden Türme des World Trade Center in New York und in das Pentagon in Washington. Das vierte Flugzeug stürzte ab, bevor es sein wahrscheinliches Ziel, ein Regierungsgebäude in Washington, erreichen konnte. Die Folge: rund 3000 Tote und die Ära des «War On Terror», der die Präsidentschaft von George W. Bush prägen sollte. Mit zwei langjährigen und kostspieligen Kriegseinsätzen in Afghanistan und im Irak, mit einer Beschneidung der Bürger (der «USA Patriot Act»), mit dem Skandal um das Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba und mit einer Politik des Unilateralismus, an dessen Ende das Ansehen der USA im Keller sein sollte – international, aber auch im Inland.

Bald nach dem Anschlag, dem eine gigantische Fehlerkette der US-Geheimdienste vorausging, wucherten Verschwörungstheorien um die eigentlichen Drahtzieher, während der Untersuchungsbericht der Regierung weitherum angezweifelt wurde. Schon im Jahr nach den Anschlägen forderten in den USA Brügerinitiativen wie «9/11 Citizens Watch» unabhängige Untersuchungen, während auf verschiedenen Online-Foren laufend grössere und kleinere Merkwürdigkeiten um 9/11 verhandelt wurden: den Einsturz des World Trade Centers 7, das Versagen der Flugüberwachung, der Verkauf von Aktien der betroffenen Fluggesellschaften im Vorfeld der Anschläge. Die meisten Verdachtsmomente wurden längst widerlegt, dennoch bleiben die Thesen, 9/11 sei entweder vom israelischen Geheimdienst Mossad oder von der USA selbst ausgeführt worden, um über die notwendigen Kriegsgründe zu verfügen, munter lebendig.

5. Die «geheime Weltregierung» der Illuminaten

Wo Verschwörungstheorien wuchern, sind die Illuminaten nicht weit. Dieser Orden wurde 1776 vom bayrischen Philosophen Adam Weishaupt gegründet und bereits neun Jahre später wieder verboten. Weishaupt, Professor in Ingolstadt, gründete den Orden ursprünglich als aufklärerischen, antiklerikalen Lesezirkel. Die Mitgliedszahl des Bundes wuchs – befeuert durch die damalige Krise der deutschen Freimaurerei – jedoch rasch an, worauf die konservative Regierung des Kurfürstentums auf die Illuminaten aufmerksam wurde und sie kurzerhand verbot – wie andere aufklärerische Geheimorden, die nach einer vernunftorientierten Gesellschaftsordnung strebten.

Damit endet ihre Geschichte – und beginnt ihr Mythos. Die Illuminaten waren als Loge organisiert, verfolgten explizit politische Ziele und gaben sich, als Zeichen der Ablehnung der katholischen Ordnung, nicht-christliche Tarnnamen aus jüdischen, griechischen, römischen oder altägyptischen Quellen.

Das genügte, um sie nach ihrem Verbot von ihren konservativen Gegnern endgültig mit den Freimaurern und ähnlichen Geheimorganisationen verschmelzen zu lassen und ihnen, als quasi in der Verborgenheit agierend, einen unermesslichen Einfluss zuzuschreiben. In den USA war die Furcht vor den Logen besonders auf Seiten puritanischer Geistlicher besonders ausgeprägt: sie beschuldigten Thomas Jefferson, dritter US-Präsident und Hauptverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, sowie seine Demokratisch-Republikanische Partei (Vorläufer der heutigen Demokratischen Partei), eine fanatisch aufklärerische Organisation zu sein, die das Christentum aus den USA tilgen wolle. Jefferson hielt sich ab 1785 einige Jahre in Europa auf – just das Jahr, in dem der Illuminatenorden verboten wurde und sich in die (behauptete) Verborgenheit verabschiedete.

Als Konsequenz dieser «Illuminaten-Panik» verabschiedete 1798 der US-Kongress die vier «Alien And Sedition Acts», die die Ausweisung von Ausländern erleichterten und die Veröffentlichung staatsfeindlicher Schriften unter Strafe stellten. Im späten 19. sowie im 20. Jahrhundert erhielt die Illuminatenlegende, nach der Veröffentlichung der «Protokolle der Weisen von Zion» (eine judenfeindlich motivierte, gefälschte Dokumentation einer Weltverschwörung) einen antisemitischen Unterton: der Mythos von den «Unbekannten Oberen», die insgeheim die USA – und von dort aus die ganze Welt – beherrschten, vermischte sich mit dem Phantasma eines einflussreichen Weltjudentums, das mit massiven Geldmitteln, etwa der Rothschild-Familie, die Finanzmärkte beherrschen würde. Zeichen davon seien unter anderem auf der Ein-Dollar-Note zu finden: das allsehende Auge symbolisiere sowohl den Rationalismus der Aufklärung als auch die Totalität der Weltverschwörung, die abgetrennte Pyramidenspitze stehe zudem für den «Eckstein» aus der Freimaurerlegende.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Illuminatenmythos in die Popkultur verabschiedet: etwa in den psychedelisch-absurden Verschwörungstrip «Illuminatus!» aus den Hippie-Jahren von Robert Shea und Robert Wilson, in die überbordende Satire «Das Foucaultsche Pendel» von Umberto Eco, und natürlich in die Werke des Superstars unter den Groschenromanautoren: Dan Brown.

6. Das Attentat auf Martin Luther King

1963 war Martin Luther King wortwörtlich der Mann des Jahres. Im Sommer rief der Anführer der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung zum «Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit» auf. Rund 250’000 Menschen, schwarz wie weiss, kamen, um für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner einzustehen. King hielt dort vor dem Lincoln Memorial eine Rede, die sich unter der Überschrift «I have a dream» als Meisterwerk der Rhetorik entpuppen sollte. In den folgenden beiden Jahren führten die USA den Civil Rights Act und den Voting Rights Act ein und beendeten damit auf der Gesetzesebene die politische Diskriminierung des schwarzen Amerika. Martin Luther King, der Baptistenprediger aus Georgia, war am Ziel. Für seine Verdienste für Gerechtigkeit erhielt er 1964 den Friedensnobelpreis.

Nach der Abschaffung der Diskriminierungsgesetze verwandte er seine Kraft auf die tatsächliche Gleichbehandlung der Schwarzen. Unter dem Eindruck der stellenweise prekären ökonomischen und sozialen Lage – und nach dem Ausbruch von afroamerikanischen Unruhen in Los Angeles 1965 – plante er 1968 einen «Marsch der Armen» nach Washington, zusätzliche kritisierte er vehement den Vietnamkrieg. Für die US-Regierung und insbesondere für den Inlandgeheimdienst FBI war King eine unbequeme Figur, die seit Jahren unter Beobachtung stand.

Auch an jenem Abend des 4. April 1968, als Martin Luther King auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis erschossen wurde. FBI-Agenten, die ihn beschatteten, waren die ersten, die ihm – vergeblich – zu Hilfe eilten.

Zwei Monate später wurde der Täter verhaftet: James Earl Ray, ein Dieb, Betrüger und hasserfüllter Rassist. Er gestand seine Schuld und wurde als Einzeltäter zu 99 Jahren Haft wegen Mordes verurteilt – und widerrief kurz darauf sein Geständnis, ohne dass es wieder aufgerollt wurde. Tatsächlich gab es Ungereimtheiten: Ray war mittellos und bisher nur als kriminelles Leichtgewicht aufgefallen – woher hatte er das Geld für seine Flucht (verhaftet wurde er in London), woher die gefälschten Papiere? In Kings Umfeld – und nicht nur dort – vermutete man, ähnlich wie im Fall des fünf Jahre zuvor erschossenen John F. Kennedy, eine verdeckte orchestrierte Aktion hinter der Einzeltäterthese. Die Behörden unternahmen nichts, um die Verschwörungstheorie zu entkräften – im Gegenteil. Akten wurden weggeschlossen, sie dürfen erst im Jahr 2027 wieder geöffnet werden.

Der Fall wurde letztmals 1999 aufgerollt, als Kings Familie sich mit dem Anwalt des verurteilten Attentäters, William F. Pepper, der gleichzeitig Bücher über Kings Tod veröffentlichte, zusammentat. Auf der Anklagebank sass jedoch nicht James Earl Ray, er war ein Jahr zuvor im Gefängnis verstorben, sondern Lloyd Jowers. Der besass damals, 1968, in Memphis ein Café nicht weit von dem Motel entfernt, in dem King erschossen wurde, und hatte sich in den Neunziger Jahren mit einer spektakulären Geschichte an die Polizei und die Öffentlichkeit gewandt: Er gab zu, Teil einer Verschwörung gegen King gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft in Tennessee griff den Fall wieder auf, die Geschworenen des Gerichts – sechs Weisse, sechs Schwarze –  zeigten sich von der Schuld Jowers sowie seiner unbekannten Mitverschwörer, die sowohl in der Mafia als auch in regierungsnahen Kreisen vermutet wurden, überzeugt. Darauf untersuchte das US-Justizministerium den Fall erneut und wies nach einer 18-monatigen Untersuchung den Entscheid des Gerichts zurück, indem es Jowers Glaubwürdigkeit in Zweifel zog: seine Aussagen seien widersprüchlich, zudem habe er bei den Ermittlungen nicht kooperiert und sich bereits vor der Gerichtsverhandlung darum bemüht, seine Story gewinnbringend zu verkaufen.

7. Das Montauk-Projekt

Wie die Geschichte von Roswell hat auch die Fabel vom Montauk-Projekt seine Spuren in den Entwicklungslabors des US-Militärs. In den 1950er Jahren bezeugte der amerikanische Matrose Carl Meredith Allen, die US-Marine habe in den Jahren zuvor im Versuch, magnetischen Eigenschutz für ihre Schiffe zu entwickeln, um sie vor mit Magneten ausgerüsteten deutschen Torpedos zu schützen, das Schiff USS Eldridge unsichtbar gemacht. Nur der Kielabdruck im Wasser sei erkennbar gewesen. Das Kraftfeld, das auf dem Schiff mittels übergrossen Generatoren erzeugt worden sei, habe das Schiff inklusive Besatzung entmaterialisiert und kurz 600 Kilometer entfernt an die Küste von Norfolk teleportiert. Die Rematerialisierung sei indes instabil erfolgt: Teile der Besatzung waren verschwunden, andere mit den Wänden verschmolzen. Ausserdem sei das Schiff in Flammen gestanden und die restliche Besatzung dem Wahnsinn verfallen. Die Geschichte wurde als «Philadelphia-Experiment» bekannt und hatte einen Makel: ausser dem Matrosen Allen konnte sie niemand bezeugen.

Allerdings tauchte sie an anderer Stelle wieder auf: 1992 veröffentlichte der US-Autor Preston Nichols sein Buch «The Montauk Project», womit er geheime Regierungsversuche aufdecken wollte: Mittels Radar-Versuchen (wovon das Philadelphia-Experiment ein Ergebnis wäre) sollen Regierung und Militär die Gedankengänge der amerikanischen Bürger zu beeinflussen versucht haben. Ort der düsteren Handlung sei laut Preston der Radarstützpunkt Camp Hero der amerikanischen Luftwaffe bei Montauk auf Long Island gewesen.

Prestons Behauptungen kamen in der Regel ohne stichhaltige Beweise aus, dennoch meldeten sich nach seinen Publikationen zahlreiche angebliche Opfer der Versuche bei ihm. In der Folge spannte Preston das Themenfeld um das Montauk-Projekt und das Philadelphia-Experiment noch weiter, brachte Ausserirdische als Technologiestifter und Zeitreisen als Spin-Off-Forschung mit rein – und holte vermeintliche Überlebende des Philadelphia-Experiments an Bord. Das Montauk-Projekt hat es kaum je in die europäische Aufmerksamkeitssphäre geschafft und wurde auch von der Popkultur nur oberflächlich absorbiert, zu sehr ist der Themenkomplex Aliens/Militär bereits von der Area 51 belegt. Allerdings vereinen sich auch in dieser Fabel die Essenzen vieler Verschwörungsthesen: Paranoia gegenüber der Obrigkeit, militärische Experimente jenseits jeglicher Kontrolle, Unbehagen vor dem technischen Fortschritt.

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