7 skandalumwitterte Preisverleihungen

Marlon Brando lehnte seinen Oscar ab und schickte eine Apachin auf die Bühne. Jean Paul Sartre wies den Nobelpreis zurück. Und Brüno landete mit seinem Hintern im Gesicht von Eminem. Preisverleihungen sind immer wieder für Skandale gut. Wir erinnern an 7 denkwürdige. Das Interessanteste an Kulturpreisen ist die Reaktion des Kandidaten. Die Annahme eines Preises […]

Marlon Brando lehnte seinen Oscar ab und schickte eine Apachin auf die Bühne. Jean Paul Sartre wies den Nobelpreis zurück. Und Brüno landete mit seinem Hintern im Gesicht von Eminem. Preisverleihungen sind immer wieder für Skandale gut. Wir erinnern an 7 denkwürdige.

Das Interessanteste an Kulturpreisen ist die Reaktion des Kandidaten. Die Annahme eines Preises ist selber eine Geste, und es versteht sich, dass der Künstler sie reflektiert. Also ist man gespannt, mit welcher Haltung er oder sie den Preis annimmt und wem er wofür dankt. Und dann gibt es die eitlen, noblen, spektakulären Szenen, wenn ein Künstler die Auszeichnung zurückweist: Hier ist der Moment für die Ansage, die Chancen hat, um die Welt zu gehen. Wir haben sieben Fälle gesammelt.

1. Wie Marlon Brando den Oscar ablehnte

Ein denkwürdiger Augenblick an den Academy Awards: 1973 wollte Roger Moore dem Über-Darsteller Marlon Brando einen Oscar überreichen – für dessen geniale Performance des Vito Corleone in «Der Pate». Doch Brando war nicht zur Preisverleihung gekommen, hatte eine Native American an seiner Stelle hingeschickt und ihr ein Communiqué in die Hand gedrückt. Sacheen Littlefeather, Schauspielerin, Tochter eines Apachen und Aktivistin für die Rechte der Ureinwohner, verlas ein Communiqé von Brando. Dieser fühlte sich geehrt, könne aber den Oscar nicht annehmen, aufgrund des Umgangs der US-Filmindustrie mit Indianern und der Darstellung von Indianern am Fernsehen. Die Hollywood-Prominenz war überrascht, einige buhten gar. Und warfen Brando danach vor, feige zu sein (so etwa der Cowboy John Wayne). Andere hingegen bewunderten sein politisches Engagement – und seine Frechheit, Hollywood dermassen auflaufen zu lassen.

2. Wie Marcel Reich-Ranicki dem deutschen Fernsehen den Tarif durchgab

Ziel des Deutschen Fernsehpreises ist es, «hervorragende Leistungen für das Fernsehen» zu würdigen. Da war die Entscheidung der Sender ZDF, ARD, SAT1 und RTL, die den Preis ausrichten, im Jahr 2008 nicht nur richtig, sondern auch mutig. Denn der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki lehnte die Würdigung vor der versammelten High Society der Branche ab. «Bei dem Blödsinn», den er während der Preisverleihung habe mit anschauen müssen, könne er den Preis nicht annehmen. Der eigentliche Gewinner des Abends war der Moderator Thomas Gottschalk, das Gesicht des deutschen Fernsehens: Statt den Preis anzunehmen, bot Reich-Ranicki ihm das Du an und umarmte ihn.

Das Gespräch, das Gottschalk Reich-Ranicki anbot, um dort über seine Kritikpunkte zu sprechen, schaut sich ebenfalls gut.

3. Jean Paul Sartre fand, ein Autor dürfe sich grundsätzlich nicht auszeichnen lassen

Der Nobelpreis für Literatur wurde in konsequenter Form nur einmal abgelehnt, und zwar 1964 durch Jean Paul Sartre. Er verzichtete generell auf Auszeichnungen und das mit der Begründung, dass ein Autor sich nur durch seine Schriften äussern dürfe. Die Auszeichnung übe Druck auf den Leser aus, der die Wirkung der Texte beeinträchtige.

Das war hoch gedacht und im Dienst der Sache gehandelt. Den Effekt davon brachte hingegen Karl Ragnar Gierow auf den Punkt, der damalige Sekretär der Schwedischen Akademie: «Der Preis ist schliesslich eine Würdigung, die nicht durch eine Ablehnung verändert werden kann.» Sartre war also erst recht als nobelwürdiger Autor in Erinnerung. Jedenfalls bis im Jahr 2000 herauskam, dass Sartre 11 Jahre nach seinem Verzicht bei der Akademie anfragte, ob er das Preisgeld nicht doch noch haben könne – wie uns der Basler Schriftsteller Alain Claude Sulzer wissen liess. Die Akademie mochte Sartres Wunsch nicht mehr nachkommen.

Ähnlich wie zunächst Sartre erging es Elfriede Jelinek. Sie mochte den Preis ja schon, fürchtete sich aber davor, dass er sie belasten werde. Ausserdem wollte sie wegen ihrer Öffentlichkeitsscheu nicht in Person auftreten und übermittelte ihre Dankesrede als Videoaufnahme. Erfrischend war schliesslich, wie sie ein Kind beim Namen nannte (wenn auch erneut mit Skepsis formuliert): Sie freue sich und hoffe, dass sie das Preisgeld von über einer Milion Franken geniessen könne.

4. Warum der Solothurner René Zäch beleidigt auf den Kunstpreis verzichtete

Man muss nicht in glamouröse Sphären und nicht zu moralischen Grundsatzgesten vorstossen, um gute Absagen zu finden. Der Schweizer Künstler René Zäch lehnte 2012 den Solothurner Kunstpreis ab, weil ihm die Einladungskarte zur Preisverleihung nicht gefiel. Die Karte sei ein lausiges und dilettantisches Produkt, liess er sich zitieren. Es sei das Werk eines anderen Künstlers darauf abgebildet statt einem von ihm, und ausserdem erinnere ihn die Karte an eine Todesanzeige. Auf das Preisgeld von 20’000 Franken verzichtete er tapfer.

5. Als der Swiss Blues Award seinem eigenen Erfinder überreicht wurde

Louis van der Haegen ist ein engagierter Musikfan und Veranstalter. Er hat den Jazzclub Aesch/Pfeffingen und das Blues Festival Basel gegründet, sowie einen Preis ins Leben gerufen, mit dem aussergewöhnliche Leistungen im Schweizer Blues geehrt werden sollen: den Swiss Blues Award. Jährlich wird dieser Preis vergeben, in den ersten Jahren etwa an den Gitarristen Cla Nett oder den Saxofonisten Sam Burckhardt.

2009 überraschte die Jury mit einem Namen, den kein Kritiker auf der Liste hatte: Louis van der Haegen selber. Der Gründer und Initiant des Preises wurde an seinem eigenen Festival mit dem eigenen Preis geehrt. Das wäre etwa so, wie wenn die königliche Akademie Alfred Nobel den Nobelpreis verliehen hätte. Dass der Jury niemand externes einfiel, warf ein nachhaltig schwieriges Bild auf diesen privat initiierten Preis. Die erste Gewinnerin etwa steht nach zehn Jahren noch immer aus. Es scheint, als sei der Schweizer Blues – oder zumindest der Award – fest in den Händen der Männer.

6. Wie der 87-jährige Chuck Berry mit seinen frühen Sünden konfrontiert wurde

Wenn es zur Auszeichnung eines Künstlers kommt, ist auch die Stunde des Gerichts gekommen. Keine Vergangenheit liegt zu fern, um nicht aufgerollt zu werden. Der Rock’n’Roller Chuck Berry sass in den frühen 60ern zwei Jahre im Gefängnis, weil er mit einer 14-Jährigen Sex hatte. Als ihm nun im August dieses Jahres der Schwedische Polarpreis verliehen werden sollte, was aus der Hand des Königs geschieht, war das der Königin Silvia und Prinzessin Madeleine nach wie vor zuviel und beide erschienen nicht zur Preisverleihung. In letzter Minute abgesagt, waren sie offensichtlich weiterhin unschlüssig und kamen dann doch zum anschliessenden Galadinner. Wer hingegen gar nicht da war, war Chuck Berry. Der 87-Jährige konnte aus Gesundheitsgründen nicht nach Stockholm reisen.

7. Als Brünos Hintern auf Eminems Gesicht landete

Grosse TV-Kisten schreien nach diesen Momenten, die sich skandalisieren lassen. Remember Janet Jacksons Nippel-Gate? Oder Lady Gagas Fleischkostüm? Ebenfalls unvergesslich: Als sich Komiker Sacha Baron Cohen an den MTV Awards 2009 von oben abseilte und mit seinem nackten Hintern im Gesicht von Rapper Eminem landete. Ein Aufschrei ging durch den Saal, nach den Awards sprachen alle nur über diesen einen Augenblick.

Klar war, dass der britische Komiker so werbewirksam auf seinen neuen Film «Brüno» – eine Satire über einen schwulen Österreicher – aufmerksam machen wollte. Dass Eminem die Gagidee lustig fand und eingewilligt hatte, das wurde erst Tage später bekannt: «Wir waren happy, dass es noch besser geklappt hatte als bei der Probe», verriet Eminem und outete sich als grosser Fan von Cohen. Der inszenierte Skandal zeigte auch des Rappers Sinn für (Selbst-)Ironie.

Wochenthema: Kulturpreise
Im Herbst haben Preisverleihungen Hochsaison – hier der Basler Kulturpreis, dort der Schweizer Buchpreis, da der Literaturnobelpreis.
Wir schauen genauer hin und machen die Kulturpreise zum Wochenthema.

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