Ob mit Velvet Underground oder mit Schützenhilfe von David Bowie: Lou Reed hat einige wunderbare, zeitlose Klassiker der Musikgeschichte geschrieben und aufgenommen: Hier eine Auswahl seiner grössten Songs, von «Venus In Furs» über «Perfect Day» bis zu «Dirty Blvd.».
Lou Reed ist tot. Lou who? Fragte mich mein Sohn, als mich die traurige Nachricht via Freunde erreichte. Lou Reed halt. Ein Pionier, ein sperriger Musiker, grummliger Sänger, grosser Dichter auch. Aber wie sollen das jüngere Leute wissen, die bei «Transformer» an Monsterkreaturen denken und nicht an ein Monsteralbum, das vor 40 Jahren erschien? Aufklärung tut not. Denn auch wenn jetzt alle Nachrufe an Lou Reed erinnern: Sie täuschen nicht darüber hinweg, dass seine grossen, einflussreichen Zeiten Jahrzehnte zurückliegen – und der jungen Generation fremd sind.
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Aus diesem Grund erinnere ich hier an sieben seiner Lieder. Und zwar jene sieben Songs, die ich gemäss iTunes in den vergangenen 12 Monaten am häufigsten gehört habe. Allen gemein ist der Geruch der Strasse. Schmerz und Schönheit vereint in Songs – Lou Reed war ein Meister dieser Kunst.
1. «Venus In Furs»
Zu finden auf dem Debütalbum «Velvet Underground & Nico» (1967). Das «Bananenalbum», unter dem Protektionismus von Andy Warhol entstanden, brauchte zehn Jahre, bis es nennenswerte Verkaufszahlen erreichte. Entwickelte sich aber zu einer der einflussreichsten Platten der Rockgeschichte, beeinflusste es doch Glam- und Punkrock, den New Wave und den Drone-Rock – und wurde in der Retrowelle der 2000er-Jahre mehrfach rezykliert. Wer sich «Venus In Furs» anhört, merkt: Das hypnotische Stück kann als Geburtshelfer des Alternative Rock verstanden werden. Und als Soundtrack zum Sadomasochismus.
2. «I’m Waiting For The Man»
Mit 26 Dollars in der Hand wartet er auf seinen «Man». Seinen Dealer. Um sich Heroin kaufen zu können. Mit Texten wie diesen hat Lou Reed als Sänger von The Velvet Underground aufhorchen lassen, schlug er doch damit einen Ton an, den man sich in der hippiesken, von Flower-Power rosa gefärbten Sixties-Szene nicht gewohnt war. Soviel düsterer Realismus, und das im Summer of Love. Starker Stoff.
3. «Sweet Jane»
Eine seiner letzten Arbeiten mit The Velvet Underground: «Sweet Jane». Riffrock, darüber sein gewohnt larmoyanter Gesang. Reeds Versuch, aus der einflussreichen Band auch eine erfolgreiche zu machen. Der Song erschien auf «Loaded», dem letzten Album von VU – nachdem Reed bereits das Handtuch geworfen hatte und ausgestiegen war. 1972 Jahre erschien «Vicious», das sich nur unwesentlich vom Riffrock von «Sweet Jane» unterschied (und das zudem verdächtig an «Wild Thing» von den Troggs erinnerte). Wie sagte Reed doch einst so treffend? «One chord is fine. Two chords are pushing it. Three chords and you’re into jazz.»
4. «Walk On The Wild Side»
David Bowie bewunderte in seinen jungen Jahren drei grosse amerikanische Performer: Bob Dylan, Iggy Pop von The Stooges und Lou Reed von The Velvet Underground. Letzteren zwei verhalf er später zu Erfolgen, indem er ihnen nach seinem eigenen Durchbruch zu Diensten stand und ihre Solokarrieren als Produzent anschob. So etwa «Transformer», Reeds zweites und insgesamt stimmigstes Soloalbum. «Walk On The Wild Side», die Geschichte von Drag Queens (aus Warhols Umfeld), die sich prostituierten, wurde zum grössten Evergreen aus seiner Feder. Bis heute oft kopiert (so auch von den Hip-Hoppern A Tribe Called Quest), hierzulande etwa von ZüriWest. Kuno Lauener, selbsterklärter Fan von Lou Reeds Songs, hat den Klassiker prächtig adaptiert und ihm eine eigene, berndeutsche Note verliehen: «Lue zersch wohär dass dr Wind wääit.»
5. «Satellite Of Love»
Diese Halftime-Nummer steht für ein Highlight auf dem Soundtrack zum Glamrock-Film «Velvet Goldmine». Und ist einer von vielen herrlichen Songs auf dem «Transformer»-Album. Dass Bowie Hand angelegt hat als Produzent, merkt man diesem Lied in jedem Takt, jedem Arrangementdetail an. Britischer hat Lou Stardust nie geklungen. Unüberhörbar auch Bowies Backing Vocals in den «Bam-bam-bam»-Chören im Refrain sowie im herrlichen Outro dieses Lieds. Der New Yorker und der Londoner: 1972 eine bestechend-hymnische Kombination!
6. «Perfect Day«
Das Lied wird von zahlreichen Legenden umrankt. Am hartnäckigsten hält sich jene, dass Reed «Perfect Day» im Heroinrausch schrieb und darin auch einen solchen beschreibe. Nachdem er mit Velvet Underground «Heroin» besungen hatte, umgab ihn ein dunkles Stigma, dem er sich in den Jahren darauf kaum entziehen konnte. «Nonsense!» entgegnete der New Yorker dabei immer wieder, «Perfect Day» drehe sich um eine(n) obsessive(n) Ex, welche(r) nach dem Beziehungsaus auf Rache sinne. So oder so: Prächtig und beklemmend, diese Ballade. Ganz grosses Kino.
7. «Dirty Blvd.»
Das letzte Mal, dass man Lou Reed im Tagesprogramm der Radios mit einer neuen Single wahrnahm: 1989, mit dem Song «Dirty Blvd.», womit er ein weiteres Mal den Geschmack der New Yorker Strassen einfing – und damit auch den Kontrast seiner Heimatstadt, wo reich auf arm trifft und Elend auf Glamour.
Wer Lust auf mehr bekommen hat: Hier ein Dokfilm über die Lieder und das Leben von Lou.