71 Tote in Kühllastwagen: Mordprozess mit Anklage eröffnet

Vier Schlepper sollen vor zwei Jahren den qualvollen Tod von 71 Flüchtlingen verursacht haben. Eingepfercht im Laderaum eines Kühllastwagens waren diese erstickt. Der Prozess gegen die mutmasslichen Verantwortlichen hat am Mittwoch begonnen. Die Anklage lautet Mord.

Der Lastwagen mit den Leichen der erstickten Menschen war 2015 bei der österreichischen Ortschaft Parndorf nahe der ungarischen Grenze gefunden worden. Der Fall hatte damals weltweit grosse Erschütterung ausgelöst.

Für die Todesfahrt sind vier Männer – ein Afghane und drei Bulgaren – des mehrfachen Mordes angeklagt. Die Gruppe hatte demnach die 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder aus Syrien, dem Irak, dem Iran und Afghanistan am frühen Morgen des 26. August 2015 in Südungarn nahe der serbischen Grenze in den Kühllaster verladen.

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Der Prozess gegen die mutmasslichen Verantwortlichen findet in der südungarischen Stadt Kecskemét statt, weil die Flüchtlinge laut Gutachtern noch auf ungarischem Staatsgebiet starben. In Kecskemét hatten die Schlepper den Laster angemietet.

Das Fahrzeug hatte keine ausreichende Belüftung und war für den Transport von Menschen ungeeignet, sagte Staatsanwalt Gabor Schmidt in der Anklageverlesung. „Die vier Angeklagten waren sich im Klaren darüber, dass die Insassen im Laderaum sterben würden, wenn die Tür nicht geöffnet wird.“

Der Fahrer des Lastwagens, ein 26-jähriger Bulgare, habe mehrfach gehört, wie die Menschen schrien und an die Wände schlugen. Er habe die anderen Mitglieder der Bande, die die Fahrt als Späher begleiteten, telefonisch immer wieder darauf aufmerksam gemacht.

Ein Afghane, der nach Ansicht der Ermittler Drahtzieher der Bande war, habe aber die strikte Weisung erteilt, in keinem Fall stehenzubleiben und die Ladetür zu öffnen. In einem der Telefonate, so der Staatsanwalt, habe der 30-jährige Afghane „in aufgewühltem Ton“ erklärt, dass die Menschen im Lastwagen sterben mögen. Der Fahrer solle sie dann einfach irgendwo in Deutschland abladen.

Die Staatsanwaltschaft klage deshalb den mutmasslichen Drahtzieher und zwei weitere Bulgaren als Anstifter eines mehrfachen Mordes unter grausamen Umständen an, den Bulgaren am Steuer des Lasters als Ausführenden des selben Verbrechens, sagte Staatsanwalt Schmidt.

Die Staatsanwaltschaft will für die vier Hauptangeklagten lebenslange Haftstrafen beantragen. Das Verfahren wird vermutlich mehrere Monate dauern. Das Gericht hofft, noch in diesem Jahr ein Urteil fällen zu können. Die Prozessunterlagen umfassen 59’000 Seiten.

Internationale Medien begleiteten den Prozessauftakt mit enormem Interesse. Der Verlesung der Anklageschrift war eine langwierige Diskussion vorausgegangen, die der Hauptangeklagte vom Zaun gebrochen hatte. Er beschwerte sich über die angeblich mangelnden Sprachkenntnisse der Gerichtsdolmetscherin, die für ihn ins Paschtu übersetzte. Die Dolmetscherin verwahrte sich gegen die Vorwürfe.

Sieben weitere Bulgaren werden beschuldigt, zusammen mit den anderen vier Männern 1200 Flüchtlinge über Ungarn nach Österreich und Deutschland geschmuggelt zu haben. Einer von ihnen ist flüchtig, gegen ihn wird in Abwesenheit verhandelt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Afghanen und drei der Bulgaren ausserdem vor, noch am Tag der Entdeckung des Lastwagens in Parndorf einen weiteren Kühllastwagen mit 67 Flüchtlingen nach Österreich geschickt zu haben.

Die Opfer konnten sich im burgenländischen Gols aus dem zugesperrten Laderaum des abgestellten Lkws selbst befreien. Ihre mutmasslichen Peiniger sind der lebensgefährlichen Körperverletzung angeklagt.

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