Die Lehrerverbände warnen vor hohen Kosten, wenn weitere Kantone aus dem Sprachenkompromiss ausscheren. Doch bereits der heutige Flickenteppich kommt die Schulen teuer zu stehen.
Zwar halten sich 22 der 26 Kantone an den Sprachenkompromiss der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Allerdings lässt dieser den Kantonen immer noch viel Spielraum. Vorgeschrieben ist lediglich, dass ab der dritten Primarstufe eine erste Fremdsprache unterrichtet wird, eine zweite ab der fünften. Bei einer der beiden Sprachen muss es sich um eine Landessprache handeln.
Während einige Kantone nun in der dritten Klasse mit Englischunterricht beginnen, starten andere mit Französisch respektive Deutsch oder Italienisch. Einzelne Kantone wie Uri und Appenzell Innerrhoden haben die zweite Fremdsprache gleich ganz auf die Oberstufe verbannt. Auf eine einheitliche Umsetzung konnten sich einzig die Westschweizer Kantone einigen, die durchgehend erst auf Deutsch und dann auf Englisch setzen.
Nachsitzen bei Umzug
Zum Problem werden die unterschiedlichen Lehrpläne dann, wenn Schüler über die Kantonsgrenze zügeln. Wechselt ein Fünftklässler vom Kanton Luzern in den Kanton Bern, muss er zwei Jahre Französischunterricht nachbüffeln. Dem Solothurner Fünfklässler, der nach Zürich umzieht, fehlen dafür zwei Jahre Englischunterricht.
Die Schüler müssen nachsitzen, und das geht ins Geld. Gemäss eines Berichts des Lehrerverbandes LCH brauchen im Fach Englisch derzeit jährlich 428 Schüler Zusatzunterricht, weil sie umgezogen sind. Kostenpunkt: 4,1 Millionen Franken. Einen Nachholbedarf beim Französisch haben im Schnitt 372 Schüler pro Jahr. Die fehlende Harmonisierung führt hier zu direkten Mehrkosten von 2,4 Millionen Franken.
Noch teurer wird es, wenn weitere Kantone dem EDK-Kompromiss den Rücken kehren. Entsprechende Bestrebungen laufen unter anderem in den Kantonen Thurgau, Zürich und Luzern. Allein von der Abschaffung des Frühfranzösischs im Kanton Thurgau wären jährlich 117 Kinder betroffen, wie die «NZZ am Sonntag» aus dem Bericht zitiert. Die Kosten für Französisch-Nachholbildung von Umzugs-Schülern würden um eine weitere halbe Million Franken ansteigen.
Verschieben auch Zürich und Luzern den Französischunterricht auf die Oberstufe, schnellt die Zahl der betroffenen Schüler nach oben. 832 Schulkinder, mehr als doppelt so viele wie heute, müssten nachsitzen. Die Schulbudgets würden mit zusätzlichen 2,3 Millionen Franken belastet.
Bundesrat droht mit Eingriff
Ob es so weit kommt, ist derzeit offen. Bundesrat Alain Berset hat den Kantonen mit einer Bundesintervention gedroht, wenn sie sich nicht auf eine einheitliche Umsetzung des Sprachenunterrichts einigen können. Sukkurs erhält der Bildungsminister von Lehrer- und Wirtschaftsverbänden.
Im Parlament hätte es ein entsprechendes Gesetz allerdings schwer, wie die Reaktionen auf die kürzlich beendete Vernehmlassung zeigen. Die Mehrheit der Parteien fordert, die Kantone müssten selbst einen Ausweg aus dem Sprachenstreit finden.