Die Folgen des Konflikts im Südsudan sind nach Einschätzung der Vereinten Nationen noch schlimmer als bislang angenommen. Durch die Gewalt der vergangenen Tage sind in dem nordostafrikanischen Land schätzungsweise bereits 81’000 Menschen in die Flucht getrieben worden.
Allein in den UN-Flüchtlingslagern im Land suchten mittlerweile rund 45’000 Zivilisten Schutz, teilte die UNO-Organisation für Nothilfe (OCHA) am Dienstag mit. Die Zahl der bisherigen Todesopfer des Konflikts, die offiziell bei etwa 500 liegt, sei wahrscheinlich weitaus höher.
Es gebe «glaubwürdige Informationen über Ausschreitungen gegen Zivilisten in verschiedenen Landesteilen, insbesondere Morde», erklärte OCHA. Der Konflikt habe mittlerweile bereits die Hälfte der zehn südsudanesischen Bundesstaaten ergriffen.
Zu den Flüchtlingen führte die Organisation aus, mindestens 20’000 Menschen seien in UNO-Lagern in der Hauptstadt Juba untergekommen. Rund 17’000 Flüchtlinge leben demnach im UNO-Lager in Bor, der Hauptstadt des instabilen Bundesstaates Jonglei, sowie rund 7000 in Bentiu im ölreichen Bundesstaat Unité. Beide Städte werden von Aufständischen kontrolliert.
Die südsudanesische Armee bereitet nach eigenen Angaben derzeit eine Offensive vor, um Bor zurückzuerobern. Die Lage in der Stadt ist daher besonders angespannt. Sie spitze sich durch den Mangel an Nahrungsmitteln und Unterkünften weiter zu, erklärte OCHA.
Im noch jungen Staat Südsudan war vor einer Woche ein Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem früheren Stellvertreter Riek Machar eskaliert, die verfeindeten Volksgruppen angehören. Seitdem eroberten die Aufständischen mehrere Städte.
Westliche Staaten wie Deutschland, Grossbritannien und die USA liessen eigene Staatsangehörige aus dem Krisenland ausfliegen. Die Regierung in Washington warnte, das Land stehe am Rande eines Bürgerkriegs.
Noch am Dienstagnachmittag (Ortszeit) will das mächtigste UNO-Gremium eine Resolution verabschieden, die die Entsendung weiterer 5500 Mann in das afrikanische Land vorsieht, wie der derzeitige Ratspräsident, Frankreichs UNO-Botschafter Gérard Araud, sagte. Derzeit stehen 7000 Soldaten und Polizisten unter UNO-Flagge im Südsudan.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte die 15 Ratsmitglieder zuvor in einer Sondersitzung um die Verstärkung gebeten. «Alle Staaten haben ihre Unterstützung signalisiert», sagte Washingtons UNO-Botschafterin Samantha Power nach der Besprechung. Deshalb gilt eine Annahme als sicher.
Power hatte zuvor von einer Verstärkung der Truppen um 5000 Mann gesprochen. Araud sagte, die Aufstockung solle rasch geschehen. «Aber wir müssen uns klar sein, dass noch viele Fragen zu klären sind. Das braucht Zeit.»
Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen
Bei den Unruhen im Südsudan kamen bislang mehrere Hundert Menschen ums Leben, darunter auch zwei indische Blauhelmsoldaten. Nach Bans Angaben haben 45’000 Zivilisten auf UNO-Stützpunkten Schutz gesucht, 100’000 Menschen sind aus ihrer Heimat vertrieben.
Noch ist unklar, aus welchem Land die zusätzlichen Soldaten kommen könnten. Momentan sind vor allem indische Bataillone im Einsatz.
«Zugleich sollte jeder im Südsudan wissen, dass die Hochkommissarin für Menschenrechte (Navi Pillay) mit der Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen begonnen hat», sagte Power. «Viele mögen sich gerade unantastbar fühlen. Aber sie können sicher sein, dass wir die Gewalttaten festhalten.»
«Der Südsudan ist in Gefahr», sagte Power weiter. «Die USA haben bei der Geburt des Landes vor zweieinhalb Jahren an der Seite des südsudanesischen Volkes gestanden. Wir werden ihm auch weiter beistehen.» Ob auch die US-Streitkräfte an der UNO-Mission beteiligt würden, konnte sie nicht sagen.
Verfeindete Volksgruppen
Hintergrund der vor rund einer Woche in dem Land ausgebrochenen Unruhen ist ein Machtkampf von Präsident Salva Kiir mit seinem im Juli entlassenen Stellvertreter Riek Machar. Beide gehören verfeindeten Volksgruppen an.
Kiir gehört der grössten Volksgruppe, den Dinka, an. Diese dominieren die Regierungspartei und frühere Rebellentruppe SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung). Sein Rivale Machar ist dagegen ein Angehöriger der Lou Nuer. Es wird befürchtet, dass sich die Kämpfe zu einem Bürgerkrieg ethnischer Gruppen ausweiten.