99 Tage vor der Weltmeisterschaft in Brasilien beginnt heute für alle 32 Teilnehmer die Testphase. Frankreich macht Feinabstimmung, Honduras eine Kadersichtung und Ecuador eine weite Reise.
Aus Schweizer Sicht sind die Partien der WM-Gruppengegner von besonderem Interesse. Den aussagekräftigsten Test absolviert Frankreich, das in Paris Holland empfängt. Ecuador spielt in London gegen das zuletzt schwache, aber für die WM qualifizierte Australien, Honduras tritt gegen Venezuela an. Das auf dem Papier vielversprechendste der insgesamt 42 für heute angesetzten Länderspiele findet in Madrid zwischen den letzten EM-Finalisten Spanien und Italien statt.
Frankreich: Griezmann darf sich zeigen
Die Franzosen haben durch die erfolgreiche Barrage im November neuen Mut geschöpft. Das 3:0 im Rückspiel gegen die Ukraine soll der Ausgangspunkt zu einer guten WM sein. Trainer Didier Deschamps verlangt, dass seine Spieler gegen Holland den selben Einsatz und Siegeswillen zeigen wie gegen die Ukraine. Einige Akteure kämpfen noch um das Ticket für Brasilien. Am 2. Juni müssen die Teams der FIFA ihr 23-Mann-Kader bekannt geben.
Deschamps nominierte für das heutige Testspiel zwei Neulinge: den Aussenverteidiger Lucas Digne und den offensiven Mittelfeldspieler Antoine Griezmann. Griezmann hat gute Chancen auf eine WM-Nomination. Der 22-Jährige, der bei Real Sociedad Teamkollege von Haris Seferovic ist, belegt mit 15 Treffern den vierten Platz in der Torschützenliste der Primera Division. Dass er nicht früher zu einem Aufgebot kam, lag an einer internen Sperre. Griezmann war wegen eines nächtlichen Ausflugs während einer Zusammenkunft mit der U21 bis Ende des letzten Jahres von den Nationalteams ausgeschlossen.
Honduras: Venezuela nicht gut genug
Ein Teil der Fans und der Medien in Honduras zeigt sich wenig begeistert von dem bevorstehenden Test gegen Venezuela, spricht von einem Gegner mit wenig Gewicht. Nationalcoach Luis Suarez reagierte frustriert auf die Kritiken und erinnerte daran, dass Honduras bisher auch noch nichts gewonnen habe: «Wenn man gewissen Leuten zuhört, könnte man meinen, nur der Weltmeister sei gut genug, um gegen uns zu spielen», so der Kolumbianer.
Immerhin testete Honduras im November gegen Brasilien (0:5). In der unmittelbaren WM-Vorbereitung sind Partien gegen Israel, die Türkei und England programmiert, bevor am 15. Juni gegen Frankreich die siebte WM-Partie der Verbandsgeschichte ansteht. Bereits Anfang Juni will Suarez eine erste Liste mit 23 wahrscheinlichen WM-Teilnehmern bekannt geben. Die Partie gegen Venezuela nutzt Honduras, um einige Spieler zu testen. Suarez nominierte fünf Neulinge.
Ecuador: Sorgenkinder Valencia und Caicedo
Ecuador spielt heute gegen Australien dort, wo normalerweise der für seine Fans berüchtigte englische Zweitligist Millwall seine Partien austrägt: im 20’000 Plätze bietenden Stadion «The Den» im Südosten von London. Eine einigermassen einfache Anreise hatten nur gerade Captain Antonio Valencia von Manchester United und der 19-jährige Cristian Ramirez vom deutschen Zweitligisten Fortuna Düsseldorf. Das hätte auch für Renato Ibarra von Vitesse Arnheim gegolten, wäre sein Visumsantrag nicht abgelehnt worden. Die restlichen 18 Spieler legten eine lange Reise zurück und kamen in kleinen Gruppen jeweils in der englischen Hauptstadt an. Neun Spieler reisten aus Ecuador an, vier aus Mexiko und je einer aus Kolumbien, Brasilien, Russland, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Nationalcoach Reinaldo Rueda beklagte sich weder über die beschwerliche Reise noch über die wenig glamouröse Spielstätte im Londoner Arbeiterquartier. Sorgen bereiten ihm seine zwei renommiertesten Spieler. Antonio Valencia kommt mit seinem schwächelnden Klub nicht auf Touren, und Felipe Caicedo vollzog im Winter einen fragwürdigen Transfer. Der erst 25-jährige ehemalige Basler spielt nun in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei seinem sechsten Klub seit er 2008 den Schweizer Meister verlassen hat. Rueda, der mit Ecuador den vierten Platz der Südamerika-Qualifikation belegt hatte, meinte vor einigen Tagen in einem Radiointerview: «Es gibt viele Dinge, die noch offen sind für die WM.»