A late Quartet

Welche Verstrickungen vier Streicher eingehen können, ahnten wir schon. Mit der Arzt-Diagnose für Peter kriegen wir Gewissheit. Es steckt mehr als nur Musik in einem Streichquartett. Streichquartette bieten nicht nur Zuhörern sondern auch Zuschauern ein fein sichtbares Beziehungsnetz: Wie da die Geige mit der zweiten Geige, der Bratsche und dem Cello flirten, streiten, harmonieren, fasziniert […]

Welche Verstrickungen vier Streicher eingehen können, ahnten wir schon. Mit der Arzt-Diagnose für Peter kriegen wir Gewissheit. Es steckt mehr als nur Musik in einem Streichquartett.

Streichquartette bieten nicht nur Zuhörern sondern auch Zuschauern ein fein sichtbares Beziehungsnetz: Wie da die Geige mit der zweiten Geige, der Bratsche und dem Cello flirten, streiten, harmonieren, fasziniert Klassik-Fans seit je. Klar, dass diese hohe Kompositions-Kunst früher oder später auch auf der Leinwand auftauchen musste: Neu ist die Idee nicht. In den «Beleidigten» hat Ulrich Hub ein Streichquartett mit einem Scherzando auf die Bühne gebracht. Mit «Streichquartett» hat der Schwede Niklas Rådström vier Biografien um den Mauerfall in einem Largo gruppiert. Beide Stücke standen in gewisser Weise Pate für «A Late Quartet», das jetzt eine sublime Vierer-Konstellation auf die Leinwand bringt.

Der Cellist des Streichquartettes «The Fugue» zeigt erst Schwäche. Dann erfährt Peter, dass er an Parkinson erkrankt ist und zeigt Stärke: Er (Christopher Walken) will das Quartett verlassen, nicht ohne vorher dessen Fortbestand gesichert zu haben. Doch auf der Suche nach einem Cellisten, der ihn ersetzen kann, werden mit einem Mal Risse in der Fassade von «The Fugue» sichtbar: Robert (Philip Seymour Hoffman) will nicht länger die zweite Geige spielen. Seine Frau, die Bratschistin Juliette (Catherine Keener) findet den Augenblick falsch gewählt, dies zu verlangen. Der erste Geiger Daniel (Mark Ivanir) ist empört, aber auch verliebt: Ausgerechnet in die Tochter von Juliette und Robert. Die Viererbande lösen sich.

Ganz kurz liefert das «Late Quartet» auch eine kleine Lektion im Erlernen der Kunst der Fuge: Wenn Peter seinen Schülern von der Begegnung mit dem grossen Pablo Casals berichtet, wird mit einem Mal klar, was das Genie vom Künstler trennt: Das Genie erkennt auch noch in der unbeholfensten Arbeit des Schülers den Ansatz zu etwas Neuem, er lobt selbst im Fehlerhaften die Suche nach dem nie Gehörten. Der schlechte Lehrer hingegen weist den Schüler nur auf sein Scheitern hin.

Wie das Quartett nun weiter aus den Fugen gerät, wie Peter die Fäden zieht und – wie der Film sie in der pathetischen Schlusszene zusammenfügt, ist überkonstruierte Kammermusik und ein leicht durchschaubares Kammerspiel in einem. Trotzdem schaffen Philip Seymour Hoffman und Christopher Walken schauspielerische Sternmomente, die in der Aufführung von Beethovens Streichquartett Nr. 14 cis-Moll, op. 131 gipfeln. Spätestens jetzt ahnen wir: Es steckt halt in dieser Musik entschieden mehr als nur die Verflechtungen von vier Biografien. Darüber täuscht auch der Schluss-Pathos nicht hinweg.

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