Im Kanton Aargau dürften die Kosten für Verlustscheine von nicht bezahlten Krankenkassenprämien in den nächsten Jahren deutlich steigen. Der Kanton rechnet für 2018 mit 19,5 Millionen Franken – 60 Prozent mehr als bislang geschätzt. Die Wirkung der schwarzen Liste über säumige Krankenkassen-Prämienzahler wird infrage gestellt.
In diesem Jahr wird die öffentliche Hand wohl 18 Millionen Franken der Kosten für Verlustscheine aus nicht bezahlten Krankenkassenprämien übernehmen müssen. Bislang schätzte der Kanton die Summe auf 11,4 Millionen Franken. Seit 2012 hat die öffentliche Hand 85 Prozent der ungedeckten Kosten zu bezahlen.
Diese Angaben machte der Regierungsrat in der am Freitag veröffentlichten Botschaft zur zweiten Beratung des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung.
Die Gründe für die höheren Kosten sind vielfältig. Der Kanton ging bislang davon aus, dass zwischen den Ausständen und der Ausstellung eines Verlustscheins in der Regel höchstens zwei Jahre liegen.
Doch ein Betreibungsverfahren dauert in Wirklichkeit länger – und die Betroffenen beschreiten immer früher den Rechtsweg. Die Situation für das Jahr 2014: Nur 8 Prozent der Verlustscheine fielen tatsächlich 2014 an. 48 Prozent stammten aus dem Jahr 2013 und 44 Prozent der Verlustscheine aus dem Jahr 2012.
Festgefahren in den Schulden
Die Sozialversicherung Aargau (SVA) stellte zudem fest, dass weniger Personen nachträglich die Prämienschulden bezahlen als bislang kalkuliert. Für viele Betroffene, die wegen Krankenkassenausständen betrieben wurden, ist es schlicht unmöglich, aus der Verschuldung herauszukommen und die Forderungen zu begleichen, wie es in der Botschaft heisst.
Auch die Krankenversicherer haben kein grosses Interesse daran, das Geld einzutreiben. Da die Versicherer dem Kanton die Hälfte der Kosten zurückbezahlen müssten, falls die Schuld nachträglich beglichen werde, sei es für sie möglicherweise wenig attraktiv, Verlustscheine zu bewirtschaften, schreibt der Regierungsrat in der Botschaft.
Die hohen Krankenkassenausstände seien auch eine direkte Folge der Prämienverbilligungspolitik der vergangenen Jahre. Während die Prämien um durchschnittlich 3,5 Prozent pro Jahr stiegen, erhöhten sich die Richtprämien nicht gleich stark – in diesem Jahr sanken diese sogar. Die Richtprämie ist ein Durchschnittswert und für die Berechnung der Prämienverbilligung massgebend.
Schwarze Liste infrage gestellt
Für immer mehr Personen seien die Prämien eine zu hohe finanzielle Belastung. Die Personen seien daher nicht in der Lage, ihre Prämienschulden zu bezahlen, heisst es in der Botschaft.
Es sei offen, ob die per Mitte 2014 vom Grossen Rat eingeführte schwarze Liste der säumigen Versicherten mittelfristig einen dämpfenden Effekt haben werde. «Gemäss den Erfahrungen anderer Kantone ist eher nicht davon auszugehen», räumt der Regierungsrat ein.
Der Kanton Schaffhausen schaffte die Liste im August im Rahmen eines Sparpakets ab. Die Liste zeigte gemäss den Erfahrungen des Kantons Schaffhausen kaum Wirkung, und der Verwaltungsaufwand lohnte sich nicht. Auch in den Kantonen Luzern und Zug wird das Instrument in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert.
Wer auf der schwarzen Liste steht, ist mit einem Leistungsaufschub belegt. Einzig bei Notfällen wird die öffentliche Hand die Kosten bezahlen. Das Aargauer Parlament hoffte, mit dieser Massnahme die Zahlungsmoral der Versicherten zu verbessern.