Im Aargau wird die Zahl der notwendigen Unterschriften für kantonale Volksinitiativen nicht erhöht. Der Grosse Rat hat am Dienstag eine Motion von einzelnen FDP-, SVP- und CVP-Grossräten mit 16 zu 109 Stimmen klar abgelehnt. Auch der Regierungsrat lehnte die Forderung ab.
Matthias Jauslin (FDP) sagte im Namen der Motionäre, das Stimmvolk habe es satt, ständig wegen Minderheiten an die Urne gerufen zu werden. Die Initiative sei zu einem Instrument des Wahlkampfes geworden. Die Zahl der Unterschriften müsse erhöht werden. Im Aargau genügten 0,728 Prozent der Stimmen, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Er sprach von «Mikro-Gemeinschaften».
Grossräte der FDP, SVP und CVP forderten in der Motion, die Zahl von 3000 auf mindestens 6000 Unterschriften zu erhöhen. Das Bevölkerungswachstum müsse berücksichtigt werden. Die Zahl der 3000 Unterschriften, die innerhalb eines Jahres gesammelt werden müssten, stamme aus der Zeit von 1980. Die Zahl sei nie angepasst worden, obwohl mittlerweile mehr Menschen im Aargau lebten. Die Kantonsverfassung solle entsprechend geändert werden.
«Keine Initiativen-Flut»
Irène Kälin (Grüne) hielt dagegen, es sei Sinn und Zweck einer Initiative, dass Minderheiten ein Thema vorbringen könnten. Nicht nur grosse Parteien, sondern alle sollten den Aargau mitgestalten können. Für Kleinparteien seien 3000 Unterschriften eine grosse Hürde.
Marie-Louise Nussbaumer (SP) hielt fest, es gebe keine «Initiativen-Flut» im Aargau. Man wolle den interessierten Personen keine Steine in die Wege legen.
Auch die SVP-Fraktion lehne die Forderung klar ab, sagte Regina Lehmann. Das Sammeln von Unterschriften sei Knochenarbeit. Man wolle eine lebendige Demokratie. Das Stimmvolk sei mündig. GLP und EVP lehnten höhere Hürden ab. Die BDP war gespalten.
Franz Hollinger (CVP) sprach sich im Namen einer grossen Fraktionsmehrheit gegen die Motion aus. Nicht nur grosse Verbände sollten Initiativen einreichen können. Auch kleine Gruppen sollten eine Chance haben.
Regierung gegen höhere Hürde
Der Regierungsrat lehnte die Forderung entschieden ab. Es gebe in keiner Art und Weise ein Missstand, sagte Landammann Urs Hofmann (SP). Es sei ein falsches Zeichen an die Bevölkerung, die Unterschriften zu erhöhen.
Pro Jahr würden im Aargau rund zweieinhalb Initiativen eingereicht. Das liege auf einem tiefen Niveau. Daher bestehe keine Veranlassung, mit der Erhöhung der notwendigen Unterschriftenzahlen korrigierend einzugreifen.
«Es ist gerade Sinn und Zweck der Volksinitiative, einen Entscheidungsprozess nach den Absichten einer kleinen Zahl von Stimmberechtigten anzustossen», hielt der Regierungsrat in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Motion fest: «Eine Minderheit soll mit einem Vorschlag an die Gesamtheit der Stimmberechtigten gelangen können, welche dann den endgültigen Entscheid fällt.»
Trotz deutlicher Zunahme der Stimmberechtigten kam eine erhebliche Anzahl der Initiativen nicht zustande. Im Zeitraum von 1980 bis 2010 waren es 4 von 29, also acht Prozent. In den Jahren 2011 bis 2014 waren es sogar 5 von 15 – also ein Drittel.
Dies zeigt gemäss Regierungsrat, dass es trotz zunehmender Vielfalt von elektronischen Kommunikationsmitteln offensichtlich nicht einfacher geworden ist, die notwendige Anzahl Unterschriften zu erreichen