Der Aargauer Regierungsrat stemmt sich gegen das strukturelle Haushaltsdefizit von bis zu 250 Millionen Franken pro Jahr. Er setzt auf Einsparungen, Reformen und auf eine Steuererhöhung, um das Ruder herumzureissen.
Der Kanton habe ein «gravierendes strukturelles Finanzproblem», schreibt der Regierungsrat in seinem Bericht «Gesamtsicht Haushaltsanierung». Zwischen Aufwand und Ertrag öffne sich eine Schere. Alle fünf Regierungsmitglieder von SVP, FDP, CVP und SP stellten den Bericht am Donnerstag in Aarau den Medien vor.
Das strukturelle Defizit von 250 Millionen Franken pro Jahr entspricht rund 13 Steuerfussprozenten des Kantons. Der Regierungsrat will nach eigenen Angaben mit der Sanierung des Kantonshaushalts den finanziellen Handlungsspielraum wieder herstellen. Gemäss Landammann Stephan Attiger (FDP) geht es auch um «die Modernisierung des Kantons».
Steuererhöhung wird Thema
Der Regierungsrat setzt auf Sofortmassnahmen, die Einsparungen von 60 bis 90 Millionen Franken bringen sollen. Von längerfristigen Reformen verspricht sich der Regierungsrat Einsparungen von 80 bis 120 Millionen Franken. Unter anderem soll eine Steuererhöhung von 5 Prozentpunkten ab 2019 zusätzlich 100 Millionen in die Staatskasse spülen.
Der neu gewählte Finanzdirektor Markus Dieth (CVP) versprach ein «ausgewogenes Sanierungskonzept», das von den Auswirkungen auf Aufgaben und Leistungen her zu verantworten sei.
Der Kanton hat bereits drei Massnahmenpakete mit Einsparungen und einem Leistungsabbau von jährlich bis zu 260 Millionen Franken hinter sich. Zuvor hatte der Kanton jedoch mehrmals die Steuern gesenkt. Der Staatshaushalt umfasst Ein- und Ausgaben von je rund 5,2 Milliarden Franken.
Immer mehr Einwohner
Als Hauptgrund für die Finanzprobleme nennt der Regierungsrat im Bericht das schweizweit tiefste Wirtschaftswachstum pro Kopf. Gleichzeitig steigt die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohnern überdurchschnittlich und liegt derzeit bei 670’000 Personen.
Die Finanzkraft des Kantons ist unterdurchschnittlich. Der Aargau und die Gemeinden weisen gemäss Statistik des Bundes die tiefsten Pro-Kopf-Ausgaben aller Kantone aus. Dies wertet der Regierungsrat als Zeichen dafür, dass die Aufgaben und Leistungen «effizient erstellt» würden und das Sparpotential begrenzt sei.
Sparen bei Gesundheit und Bildung
Bei den geplanten Reformen, die Einsparungen bringen sollen, setzt der Regierungsrat auf die kostenintensiven Bereiche Gesundheit (bis zu 60 Millionen Franken) und Bildung (bis zu 40 Millionen Franken). Diese beiden Posten machen bis zu zwei Drittel des steuerbaren Nettoaufwands aus.
Der Bildungsfranken müsse gezielter eingesetzt werden, sagte Regierungsrat Alex Hürzeler (SVP). So sollen an der Volksschule die Zusatzlektionen und Deutsch als Zweitsprecher überprüft werden. Der Aargau plant, die Schuldauer bis zur Matur um ein Jahr auf 12 Jahre zu verkürzen. Dies ist in den meisten anderen Kantonen bereits der Fall.
Auch will Bildungsdirektor Hürzeler die Standorte der Berufsfachschulen überprüfen. Das ist ein politisch umstrittenes Thema: Der Grosse Rat war im vergangenen Herbst nicht auf das Thema angetreten. Unter die Lupe nehmen will der Bildungsdirektor auch die höhere Berufsbildung, die bereits grösstenteils privatrechtlich organisiert ist.
Sparen bei Ergänzungsleistungen
Gesundheitsdirektorin Franziska Roth (SVP) kündigte an, sie plane eine Totalrevision des Spitalgesetzes. Die Aufträge, Leistungen und Angebote (Spitalliste) sollen gestrafft und die Kosten stark kontrolliert werden. Roth will prüfen, ob die Kantonsspitäler in Aarau und Baden teilprivatisiert werden sollen.
Den Sparhebel setzt der Regierungsrat zudem bei den Ergänzungsleistungen und bei den Aufwendungen für den öffentlichen Verkehr an. So sollen in ländlichen Regionen die Busangeboten an den Wochenenden überprüft werden. Auch die Struktur der Staatsanwaltschaften und der Bezirksgerichte soll umgebaut werden. Der Kanton will seine Immobilienstrategie überprüfen.
Die aargauische Politik steht vor einer erneuerten Bewährungsprobe: Im Grossen Rat haben sich die Parteien in den vergangenen Jahren schwer getan, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Der Regierungsrat wolle den Staatshaushalt «zusammen mit den konstruktiven politischen Kräften» sanieren, hielt Finanzdirektor Dieth dazu fest.