Abhöraffäre gibt Datenschutz in der EU neuen Auftrieb

Nach Bekanntwerden der NSA-Abhöraffäre macht Europa ernst mit dem Datenschutz: US-Internetkonzerne sollen schon bald melden müssen, wenn sie Daten von EU-Bürgern an Behörden weitergeben. Verstossen Google, Facebook & Co. gegen EU-Prinzipien, drohen ihnen Geldstrafen.

NSA-Wasser auf ihre Mühlen: EU-Justizkommissarin Reding (Archiv) (Bild: sda)

Nach Bekanntwerden der NSA-Abhöraffäre macht Europa ernst mit dem Datenschutz: US-Internetkonzerne sollen schon bald melden müssen, wenn sie Daten von EU-Bürgern an Behörden weitergeben. Verstossen Google, Facebook & Co. gegen EU-Prinzipien, drohen ihnen Geldstrafen.

Die EU-Justizminister verständigten sich am Freitag im litauischen Vilnius im Grundsatz auf Reformen von Europas Datenschutzregeln. Diese sollen nach dem Willen der EU-Minister bereits im nächsten Jahr beschlossen sein, auch das EU-Parlament muss zustimmen. «Bis 2014 muss alles unter Dach und Fach sein», sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding.

Die lange umstrittene Reform der Datenschutzregelung soll das Recht des Bürgers an seinen persönlichen Daten wie Name, Fotos oder IP-Adresse gegenüber grossen Internetkonzernen stärken. Auch Regeln für die Datenverarbeitung in Firmen und Behörden gehören dazu.

Deutschland und Frankreich präsentierten in Vilnius ausserdem einen gemeinsamen Brief, in dem sie für höhere Datenschutzstandards plädierten.

Das Verhalten Deutschlands rief bei manchen Diplomaten Verwunderung hervor. Denn bis anhin bremste es die von der EU-Justizkommissarin aufgegleiste Revision der aus dem Jahre 1995 stammenden Datenschutzregelung. Viele schreiben die Forderung Deutschlands daher in erster Linie dem Wahlkampf zu.

EU droht USA mit «Safe Harbor»-Vereinbarung

Die EU-Kommission drohte ausserdem den USA mit Änderungen oder sogar der Aufkündigung der aus dem Jahre 1998 stammenden «Safe Harbor»-Vereinbarung (deutsch: sicherer Hafen) über den Austausch personenbezogener Daten. Diese ermöglicht es Unternehmen, private Daten von EU-Bürgern legal in die USA zu übermitteln – obwohl die USA keinen mit dem EU-Niveau vergleichbaren Datenschutz haben.

«Safe Harbor ist eher ein Schlupfloch denn eine Absicherung unserer Bürger», sagte Reding. «Und dann gehört dieses Schlupfloch geschlossen.» Bis Jahresende werde die Kommission eine Analyse dazu vorlegen.

Nach den Worten Redings ist dies auch ein Hebel in den laufenden Verhandlungen mit den USA über ein Freihandelsabkommen, «um den Amerikanern zu verstehen zu geben, ohne Datenschutz geht es nun mal nicht».

Merkel bleibt Antworten schuldig

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen enttäuschte bei ihrem letzten grossen Auftritt vor der Sommerpause die Hoffnung auf schnelle Aufklärung der Überwachung von deutschen Bürgern durch die Vereinigten Staaten.

«Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von ‚Prism‘ vorzunehmen», sagte sie zum US-Spähprogramm am Freitag in Berlin. Die Bundesregierung bemühe sich um Aufklärung, «aber es liegt eben auch nicht ganz alleine in meiner Hand».

Deutschland will sich für stärkeren Datenschutz einsetzten

Die Kanzlerin versprach, Deutschland werde sich bei er EU und den Vereinten Nationen für einen besseren Schutz der Privatsphäre der Bürger einsetzen. Auch liefen mit den USA Gespräche über die angebliche Datenabschöpfung, so Merkel.

Der US-Ausspähskandal könnte sich in den kommenden Tagen noch ausweiten: Der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald – ein Vertrauter des Informanten Edward Snowden, der die NSA-Praxis ans Licht gebracht hatte – sagte in der ARD, in den nächsten Tagen seien weitere Berichte über die Ausspähung zu erwarten, «die wahrscheinlich noch explosiver sind».

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