Ein Doppelbesteuerungsabkommen sowie eine Roadmap für den Finanz- und Steuerdialog sollen die fiskalischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien auf eine neue Grundlage stellen. Die entsprechenden Dokumente wurden am Montag in Mailand von den Finanzministern beider Länder unterzeichnet.
Eveline Widmer-Schlumpf, Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements, sprach von einem bedeutenden Tag für die bilateralen Beziehungen der Schweiz mit Italien.
Die neue Besteuerung italienischer Grenzgänger werde dem Kanton Tessin «erhebliche Erleichterung verschaffen», sagte Widmer-Schlumpf im Anschluss an die Unterzeichnung vor Medienvertretern.
Der italienische Amtskollege von Widmer-Schlumpf strich die historische Bedeutung des Abkommens heraus: «Vor der Finanzkrise war eine solche Übereinkunft zwischen unseren Ländern noch undenkbar», sagte Pier Carlo Padoan. Italien werde ein ähnliches Abkommen am 26. Februar auch mit dem Fürstentum Liechtenstein unterzeichnen.
Nicht deklarierte Vermögen regularisieren
«Mit dem heutigen Abkommen hat Italien die Schweiz auf eine »weisse Liste« gesetzt», sagte der Schweizer Botschafter in Italien, Giancarlo Kessler. Italienische Steuerpflichtige mit einem Konto in der Schweiz sollen nach Inkrafttreten zu gleichen Bedingungen am italienischen Selbstanzeigeprogramm teilnehmen können.
Dies soll den italienischen Bankkunden ermöglichen, ihre Steuerangelegenheiten zu klären, noch bevor der automatische Informationsaustausch 2017 mit der Europäischen Union in Kraft tritt. Beide Länder versprechen sich davon höhere Einnahmen, und dass bisherige Steuersünder nicht in sogenannte «Steueroasen» ausweichen.
Laut einem Kommentar des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi auf dem Kurznachrichtendienst Twitter fliessen nun „Milliarden Euro“ an den Staat zurück.
Grenzgänger künftig stärker belastet
Künftig sollen Grenzgänger in beiden Ländern besteuert werden. Die Schweiz soll statt der heutigen 61,2 bis zu 70 Prozent des Totals der Quellensteuer erheben dürfen. Italien soll den bereits in der Schweiz bezahlten Betrag von seiner Steuer abziehen. Damit werden Grenzgänger in Zukunft finanziell stärker belastet.
Bis die Übereinkunft rechtskräftig wird, können allerdings noch mehrere Jahre vergehen. Bis zum Sommer wolle man aber bereits «einen unterschriftsreifen Vorschlag» ausarbeiten, sagte Widmer-Schlumpf im Anschluss an die Unterzeichnung vor Medienvertretern.
Es sei zudem gelungen, den Status des Grenzgängers klarer zu definieren: Als Grenzgänger gelte eine Person, wenn sie ihren Wohnsitz höchstens 20 Kilometer von der Staatsgrenze entfernt habe, sagte die Finanzministerin.
Neue Regelung bringt Tessin Millionen
Der Kanton Tessin hatte bereits seit Jahren ein neues Abkommen für die Grenzgänger gefordert. Nach dem aktuell noch gültigen Abkommen von 1974 werden Grenzgänger nur in der Schweiz besteuert, wobei Italien 38,8 Prozent der Quellensteuern zusteht – sie fliessen nach Rom und werden anschliessend auf die Grenzgemeinden verteilt, in denen die Grenzgänger wohnhaft sind. Wird die neue Regelung zur Grenzgängerbesteuerung rechtskräftig, dann kann der Kanton mit Mehreinnahmen von rund 13 Millionen Franken im Vergleich zum Fiskaljahr 2013 rechnen.
Besorgt zeigte sich der Tessiner Staatsrat nach Bekanntwerden des ersten paraphierten Abkommens über die von italienischer Seite geforderte Sonderklausel, die vorsieht, weitere Verhandlungsschritte an die Umsetzung der SVP-Einwanderungsinitiative vom 9. Februar zu binden.
Laut dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) greift diese Revisionsklausel, wenn bei der Umsetzung der SVP-Einwanderungsinitiative die bestehenden Vereinbarungen zur Personenfreizügigkeit mit der EU verletzt werden.