Ein leiser Hauch von Trauer liegt über dem Haus, das die drei Mädchen bewohnen. Es ist nicht so gross, dass sie sich aus dem Weg gehen könnten. Es ist klein genug, um sich auf den Nerv zu gehen. Um füreinander da zu sein. Wie Freundinnen. Wie Fremde. Wie Konkurrentinnen. Irgendwie fühlen sich die drei wie eingeschlossen: Was wartet hinter den Türen auf sie?
Ein leiser Hauch von Trauer liegt über dem Haus, das die drei Mädchen bewohnen. Es ist nicht so gross, dass sie sich aus dem Weg gehen könnten. Es ist klein genug, um sich auf den Nerv zu gehen. Wie echte Freundinnen. Wie Konkurrentinnen. Irgendwie fühlen sich die drei wie eingeschlossen: Was wartet hinter den Türen auf sie?
„Drei Schwestern“? War da nicht mal was? Tatsächlich hat Milagro Mumenthaler in „Puertas“ einen Stoff, oder vielleicht besser: eine Figurenkonstellation von Tschechow in unsere Zeit geholt. Sie hat das Zeitlose in seiner Vorlage erkannt: Seinen Scharfblick auf weibliche Konkurrenz. Seine Genauigkeit in der Beobachtung einer Generation von Frau. Und Mumenthaler hat nicht nur den Stoff aus Tschechows Zeit befreit. Sie hat auch auf Augenhöhe mit dem Weltmeister der genauen Beobachtung drei Menschenleben ins Bild gesetzt. In „Puertas“ blicken die drei nicht auf ein sinnloses Leben zurück. Sie haben es vor sich. Vor den Türen, hinter denen die Jugend enden könnte, warten sie: Doch die Ausgänge, hinter denen man früher das Frausein vermuten durfte, liegen heute die Eingänge in eine andere, grausamere Jugendlichkeit. Das Erwachsensein kommt erst hinter der nächsten oder gar übernächsten Türe. Vielleicht ist das Erwachsensein überhaupt schon abgeschafft? Die Jugend dieser drei Schwestern dauert wohl noch lange. Haben sie ihre Zukunft schon hinter sich?
Männer sind in diesen Leben nur kleine Begebnisse. Die Jungs sind auch keine Aufschneider, wie bei Tschechow. Sie sind keine Absteiger. Wie bei Tschechow, sind die Jungs in „Puertas“ so etwas wie der Kontakt in die Aussenwelt. Sie nehmen eines der Mädchen schon einmal mit in die Stadt. Sie küssen auch mal. Sie hören zumindest zu. Sie befehligen niemanden. Ihre Gegenwart besteht aus kleinen Enttäuschungen. Aus kleinen Lügen.
Milagro Mumenthaler schafft es, etwas ausnehmend Zartes einzufangen: Sie entwickelt das Zusammenleben der drei Mädchen nach dem Tod ihrer Grossmutter aus kleinen Gesten und Blicken, aus Enttäuschungen, aus kleinen Anforderungen. Sie macht den Stillstand der Trauer zu einer Geschichte, aus der die Figuren langsam an den Tag kommen, wie aus einem Leben. „Puertas“ ist ein wunderschöner sonnendurchfluteter Nachmittag auf der Gartenterrasse: Wir können mit aller Genauigkeit und in entspannter Unaufgeregtheit die drei Mädchen beobachten, bleiben unseren Schlüssen überlassen, und werden, ganz unaufdringlich, in eine Bildgeschichte verwickelt: Alleine, wie Mumenthaler Türen und Toren und Einfahrten ins Bild setzt macht ihr Vermögen ein Thema zu gestalten einzigartig: Die Mädchen, die hier vor geschlossenen Türen stehen, stehen gleichzeitig auch dahinter. Am Ausgang der Jugend wartet auf sie der Eingang – zu einer nächsten Jugend. Wozu dann einen Ausgang suchen? Wie bei Tschechow wird auf etwas hingewiesen, was sich langsam abzeichnet, in unserer Gesellschaft, wenn das Erwachsenwerden auf immer später verschoben wird. Bald werden wir Jugendliche unter uns sein.