Joe Biden ist nur noch bis am Freitag Vizepräsident der USA – danach übernimmt die Trump-Administration das Ruder. Am Mittwoch verteidigte Biden am WEF noch einmal die liberale Weltordnung. Scharfe Kritik richtete er in diesem Zusammenhang an die Adresse Russlands.
«Russland nutzt jedes verfügbare Mittel, um gegen das europäische Projekt vorzugehen», sagte Biden am Mittwoch auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Die USA und Europa müssten den Kampf anführen, um liberale Werte zu verteidigen.
Der Kremlchef Wladimir Putin wolle zu einer Politik der Einflusssphären zurückkehren. «Die Absicht ist eindeutig: um die liberale internationale Ordnung zum Einsturz zu bringen.»
Um dieses Ziel zu erreichen, heize Putin Gewalt in anderen Ländern an und unterstütze Separatisten etwa in der Ostukraine, sagte Biden in seiner letzten Grundsatzrede im Amt. Putin nutze Energie und Korruption als Waffen, stärke undemokratische Kräfte mithilfe von Propaganda. Damit sollten «Jahrzehnte des Fortschritts» zerstört werden. Biden wurde vom Publikum mit grossem Beifall und lauten Jubelrufen empfangen.
«Es wird wieder passieren»
Mit Blick auf bevorstehende Wahlen in den EU-Mitgliedstaaten Niederlande, Frankreich und Deutschland sagte Biden: «Wir müssen mit weiteren Versuchen rechnen, sich in den demokratischen Prozess einzumischen. Es wird wieder passieren, das verspreche ich Ihnen.» Putin habe eine andere Vorstellung von der Zukunft, in der sich schwächere Nationen fügen müssten.
Während des US-Wahlkampfs waren durch Hackerangriffe zahlreiche interne Informationen der schliesslich unterlegenen Demokraten bekanntgeworden. Nach Einschätzung des FBI setzt die Regierung in Moskau darauf, mit dem Immobilienmilliardär Trump leichter Geschäfte machen zu können als mit demokratischen Politikern. Die US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland schon in Dutzenden Ländern versucht hat, Wahlen in seinem Sinne zu beeinflussen.
«Heilige Verpflichtung»
Biden bekräftigte die «heilige Verpflichtung» der USA zur Bündnistreue zu den Nato-Partnern. Die Militärallianz müsse ein Schlüsselfaktor in den Beziehungen zwischen den USA und der EU bleiben. Der künftige US-Präsident Donald Trump hatte die Nato kürzlich «obsolet» genannt und sich mehrfach anerkennend über Putin geäussert. Er tritt sein Amt offiziell an diesem Freitag an.
Es gelte, den Kampf gegen Cyberterrorismus und Falschnachrichten zu stärken, sagte Biden. Mit Blick auf Herausforderungen wie soziale Ungleichheit und den Aufstieg von Populisten sagte Biden: «Es wird einen neuen Präsidenten in den USA geben.» Aber die Lösungen, die die internationale Gemeinschaft zu treffen habe, hingen nicht allein von Washington ab.
Zugleich rief Biden auf, eine gerechtere Weltwirtschaft zu schaffen. «Der Impuls, sich zu verstecken, Mauern zu bauen, ist genau die falsche Antwort.» Vielmehr müssten Wirtschaftstrends entschärft werden, «die in so vielen entwickelten Ländern für Unruhe sorgen und das grundsätzliche Ehrgefühl der Menschen untergraben». Nötig seien unter anderem bessere Ausbildung und soziale Unterstützung sowie eine grundlegende Steuerreform. «Das oberste ein Prozent kommt seinen Verpflichtungen nicht nach.»