Die Abzocker-Initiative spaltet die Gewerkschaften. Die grossen Arbeitnehmerorganisationen vertreten drei verschiedene Positionen: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund empfiehlt, leere Stimmzettel einzulegen, die Unia sagt Ja – und Travail.Suisse sagt Nein.
Zusammen mit KV Schweiz und der Schweizer Kaderorganisation (SKO) erklärte Travail.Suisse am Freitag vor den Medien in Bern, dass am 3. März nicht mehr darüber entschieden wird, „ob gegen die Abzockerei vorgegangen werden soll, sondern nur noch wie“.
Die negativen Auswirkungen der Initiative würden überwiegen. So fürchtet Travail.Suisse um den Werkplatz Schweiz und um Arbeitsplätze, weil nicht nur grosse Unternehmen betroffen wären, sondern auch Zulieferer aus Reihen der KMU.
Deshalb müsse aus Sicht der Angestellten und Arbeitnehmenden mit einem Nein der besseren Lösung – also dem Gegenvorschlag – zum Durchbruch verholfen werden.
Entzweite Gewerkschaften
Gewerkschaftsbund und Unia sind da jedoch anderer Meinung – vertreten dazu aber unterschiedliche Positionen. Der SGB hat im November leere Stimmzettel empfohlen. „Damit zeigt man an der Urne, dass man weder mit der Initiative noch mit dem Gegenvorschlag einverstanden ist“, erklärte SGB-Sprecher Thomas Zimmermann.
Weshalb nicht Stimmfreigabe? „Weil wir damit gesagt hätten, dass es uns egal ist, welche Vorlage angenommen wird“, sagte Zimmermann. Für den SGB sind die Risiken gewichtiger als die Sympathien für das Anliegen. Für „Heuschrecken-Aktionäre“ etwa werde es einfacher, Firmen zu übernehmen, auszuweiden und Personal abzubauen.
Mit seiner Empfehlung, am 3. März leer einzulegen, nimmt sich der SGB im Abstimmungskampf aus dem Spiel. Grund dafür ist, dass er im Kampf gegen die Abzockerei andere Instrumente hat: seine eigene Mindestlohn-Initiative und die 1:12-Initiative der JUSO.
Mit diesen beiden Volksbegehren zielt der Gewerkschaftsbund denn auch viel direkter auf seine Klientel: die Arbeitnehmenden. Da diese jedoch grosse Sympathien für die Abzocker-Initiative bekunden, hat sich die Unia für ein Ja entschieden.
Wenig begeistertes Ja bei Unia
Doch auch die Unia – mit 200’000 Mitgliedern das stärkste SGB-Mitglied – hält den Ball flach. Auf ihrer Webseite ist die Parole nicht zu finden, und eine Kampagne ist nicht geplant.
„Das Ja ist mehr symbolischer Art“, sagte Unia-Geschäftsleitungsmitglied und Nationalrat Corrado Pardini (SP/BE) auf Anfrage der sda. Die Initiative mache einen Schritt in die richtige Richtung.
Die Kritik lässt jedoch auch bei der Unia nicht auf sich warten: „Sie stärkt die Aktionäre, macht aber nichts gegen die Abzockerei“, weshalb auch er auf die beiden linken Initiativen verweist.
Für Martin Flügel von Travail.Suisse sind die geteilten gewerkschaftlichen Meinungen bei der Abzocker-Initiative von wenig Bedeutung. Es gehe ja nicht um die AHV, die für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer essenziell sei. Bei solchen Themen seien sich die Gewerkschaften jeweils einig.
Graben durch Wirtschaft, Parteien und Familien
Bei der Abzocker-Initiative von Thomas Minder hingegen könne man je nach Schwerpunkt, den man setze, unterschiedlicher Meinung sein. Zudem sind die Gewerkschaften nicht die einzig Entzweiten.
Der Graben geht teils durch Parteien, Wirtschaft und gar Familien: So macht sich ein Unternehmer-Komitee für die Initiative stark. Mit dabei ist Roberto Martullo, Schwiegersohn von SVP-Übervater Christoph Blocher.
Und auch die SVP zieht nicht mehr am selben Strick, seit die Zürcher Kantonalpartei die Ja-Parole beschlossen hat. Mit ihr unterstützen auch die Glarner und die Unterwalliser SVP den Minder-Vorschlag. Dagegen haben sich bislang die SVP-Sektionen der Kantone Genf, Neuenburg, Waadt und Tessin entschieden. Die SVP Schweiz fasst ihre Parole am 26. Januar in Balsthal SO.
Und bei der CVP hat die Waadtländer Kantonalpartei ein Ja beschlossen, obwohl die Mutterpartei Mitglied des bürgerlichen Gegenkomitees ist. Die CVP Schweiz entscheidet am (morgigen) Samstag an ihrer Delegiertenversammlung in Olten über Ja oder Nein zur Initiative gegen die Abzockerei.