Kosmische Strahlung, unsichere Nahrungsversorgung und Streit: Ein Langzeitflug ins All stellt gewaltige Herausforderungen an den Menschen, wie drei Astronauten am Mittwoch am Rande einer Konferenz in Bern erklärten. Und doch: Wenn sie könnten, würden sie wieder gehen.
Alle drei haben bereits in der Schwerelosigkeit gelebt: Claude Nicollier – der bisher einzige Schweizer Astronaut -, der US-Amerikaner Charlie Duke, der 1972 auf dem Mond war, und die russische Astronautin Elena Kondakova, die als erste Frau einen Langzeitaufenthalt von fünf Monaten auf der ehemaligen russischen Raumstation „Mir“ machte.
Sie drückten am Rande einer Konferenz des Centre Suisse d’Electronique et Microtechnique (CSEM) in Bern ihre Gedanken zu Langzeit-Raumflügen aus – zum Beispiel zum Mars. CSEM ist ein nicht profitorientiertes Unternehmen in Neuenburg, das Mikrotechnologie unter anderem für Raumfahrtmissionen entwickelt.
„Eine Marsmission erneuert den Geist der Entdeckung, der bei den Mondprogrammen herrschte“, sagte Nicollier der Nachrichtenagentur sda. „Es gehört zur menschlichen Natur, neue Dinge entdecken zu wollen.“ Die Menschheit profitiere letztlich immer davon, etwa indem Technologien aus der Raumfahrt in den Alltag übergehen.
Landwirtschaft auf dem Mars
Die Hürden für Langzeitmissionen seien indes riesig, darin waren sich die Astronauten einig. Die grösste Schwierigkeit bei einem Mars-Flug, der pro Weg acht Monate dauern würde, wäre für Nicollier die Erzeugung von Lebensmitteln. „Wir müssten lernen, ohne den Boden zu leben.“ Man müsste Techniken entwickeln, um auf dem Mars Nahrung wachsen zu lassen.
Diese effizienten und ressourcenschonenden Techniken könnten dann auch auf der Erde sinnvoll eingesetzt werden. Noch sei aber unklar, ob unter Marsbedingungen die Photosynthese – also die Gewinnung von Zucker mithilfe von Licht – funktioniert.
Für Nicollier, der seinen Weltraumspaziergang zur Reparatur des Hubble-Raumfahrtteleskops eine „Traummission“ nennt, brächte eine Langzeitmission zum Mars nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse über den Roten Planeten. „Sie öffnet der Menschheit Möglichkeiten für die ferne Zukunft.“
Nicht in 50, aber vielleicht in 1000 Jahren könnten Menschen dort einen alternativen Lebensraum finden. Der Astrophysiker könnte sich sogar eine „sonnensystemweite Ausbreitung der Menschheit“ vorstellen.
Drohende Strahlenschäden
Charlie Duke sieht vor allem in der kosmischen Strahlung ein gravierendes Problem. „Jenseits des Van-Allen-Strahlungsgürtels – einer Art magnetischen Schilds der Erde – nimmt die Strahlenbelastung massiv zu.“ Für Langzeitmissionen müssten sichere Strahlungsabschirmungen entwickelt werden. In den fünf Tagen, die er auf dem Mond verbracht hat, habe er lediglich die Strahlendosis einer Brust-Röntgenaufnahme abbekommen.
Eine Möglichkeit, eine Marsmission zu realisieren, sieht der 79-Jährige darin, auf dem Mond einen Aussenposten aufzubauen und dort die nötige Technologie zu entwickeln. Seinen Flug zum Mond hat er als „überwältigend“ in Erinnerung. „Wir betraten eine unglaublich schöne, unberührte Wüste. Noch nie war jemand vor uns hier gewesen.“
Streit als Risiko
Nicht die Technik, sondern die Psychologie stellt für Kondakova die grösste Herausforderung für künftige Langzeit-Weltraummissionen dar. „Die auf engstem Raum lebenden Menschen müssen kommunizieren können“, sagte sie. Schliesslich könne man bei Konflikten nicht einfach die Türe zu machen und sich aus dem Weg gehen.
Auf ihrem eigenen Langzeitflug habe sie sich hervorragend gefühlt – auch körperlich, dank des Sportprogramms, das Astronauten zweimal täglich absolvieren müssen. Es sei fantastisch gewesen, die Erde aus der Distanz zu sehen und die Schwerelosigkeit zu spüren.
Alle würden wieder gehen
Dieser Reiz des Neuen scheint für die Astronauten alle Risiken zu überwiegen: „Als ich wieder auf der Erde war, wollte ich sofort wieder ins All zurück“, sagte Elena Kondakova. Und Charlie Duke meinte: „Wenn ich das als junger Mann tun könnte, würde ich gerne zum Mars und zurück fliegen.“ Ohne zu zögern sagt auch Claude Nicollier: „Ich würde zum Mars fliegen.“