Achtung, sie kommt!

Wir haben einen Redaktor zu einem PR-Anlass losgeschickt, zurückgekommen ist er mit einem echten Protokoll eines fiktiven Gesprächs. Eine feige Finte. Hallo Mutti, du wirst es nicht glauben. Heute war wer ganz wichtiges in Basel. Echt typisch, kaum bist du in den Ferien passieren lauter wichtige Sachen. Ich war heute in Basel, in diesem Shopping-Center […]

Muss jemand ganz wichtiges gewesen sein: Bloss wer?

Wir haben einen Redaktor zu einem PR-Anlass losgeschickt, zurückgekommen ist er mit einem echten Protokoll eines fiktiven Gesprächs. Eine feige Finte.

Hallo Mutti, du wirst es nicht glauben. Heute war wer ganz wichtiges in Basel. Echt typisch, kaum bist du in den Ferien passieren lauter wichtige Sachen. Ich war heute in Basel, in diesem Shopping-Center beim Bahnhof. Du weisst schon, das wo du so gerne hingehst, weil es kaum Leute hat. Aber heute, du wirst es nicht glauben, volles Haus. Echt. Die Leute standen Schlange vor ’ner Bühne, als ob es was gratis geben würde. Und dann schrie plötzlich die Moderatorin auf der Bühne: «Achtung, sie kommt!»

Ich hab diese sie nicht gekannt, aber der Mann, der sie zuvor angekündigt hat, sagte: «Es ist wichtig, dass wir solche für die Region wichtigen Persönlichkeiten nach Basel holen.» Und die Moderatorin dann – war übrigens ganz schlimm angezogen. Bauchfrei! Und die war mindestens so alt wie du! – aber eben, sie dann: «Wie schafft ihr das nur all diese VIPs nach Basel zu bringen?» Die Antwort hab ich leider vergessen.

Die sie kam dann echt so mit Bodyguards und nem Typen der sah aus wie der blonde Typ auf deinen Schlagerplatten. Der, der auch mal ein Skifahrer war. Du solltest wirklich mal googeln, vielleicht macht er jetzt auch so Management-Sachen. Der Stilberater war es sicher nicht, sie trug nämlich ein T-Shirt. Auf der Bühne! Ich dachte nur: Oh, mein Gott.

Die Männer haben trotzdem gejohlt.

Sie hat dann irgendwas unterschrieben, sahen aus wie Nacktfotos. Der Typ neben mir lachte, als ich ihn gefragt habe, ob ich das richtig gesehen habe. Echt blöd von ihm. Ich glaub, es war ihm aber nur peinlich, weil er es auch nicht richtig gesehen hat. Überall standen Fotografen und Journalisten. Zum Glück ging es ja fast ne Stunde, da konnte ich immer wieder mal einen Blick auf die Frau werfen und die vielen Leute, die da anstanden. Einen hab ich sogar gekannt, der geht mit mir zu Schule.

Viel witziger war aber, dass die Frau immer dasselbe gemacht hat: Lächeln, «Thank you», mit der linken Hand die linke Strähne nach hinten werfen. Lächeln. Mit der rechten Hand, die rechte Strähne aus dem Gesicht werfen. Lächeln. Unterschreiben. «Bye.» Und dann holte sie mit beiden Händen die Haarsträhnen wieder nach vorne und es ging von vorne los. Echt krass, ich dachte: Oh, die macht das nicht zum ersten Mal. Es hat sie auch überhaupt nicht gestört, dass die Fotografen und auch Leute mindestens eine Million Bilder gemacht haben.

Einmal hab ich aber trotzdem daran gezweifelt, ob sie wirklich wichtig ist.

Einer hat Flip-Flops zum Unterschreiben gebracht! Ich hätte die nicht angefasst. Igitt. Sie muss aber wichtig sein, einer aus der Schlange hatte extra Blumen für sie dabei ein Geschenk. War blau eingepackt, flach und nicht sehr gross. Bestimmt ein Buch.

Mutti, das beste war aber ihr lustiger Bodyguard. Echt so ein Berg, mit ner rosa Krawatte. Er hatte zwar keinen Hals, aber wie er die Leute zwischendurch so angepackt hat. Echt gut und viel besser als die Olle im bauchfreien Top. Sie quietsche irgendwann ins Mikrofon: «Kommt schneller, sonst kommt sie nicht mit allen durch.» Voll unnötig. Der Typ neben mir lachte dann wieder und sagte was von: «Immer diese Anspielungen.»

Viele Leute sind dann auch bald gegangen. Vielleicht war ihnen langweilig, wie mir. Es war immer dasselbe Bild: Hunderte Leute die in der Schlange stehen und warten. Es wurde nur immer wärmer in der Halle. Echt unangenehm. Ah und dann lief noch diese unglaublich einschläfernde Musik. Die nette Frau neben mir hat gesagt: «Das ist Sade, 80er wie die da oben.» Sie musste es mir drei Mal sagen, ich verstand ständig «schade» und wollte unbedingt nach Hause. Aber ein Typ von der TagesWoche hat immer gesagt, es würde gleich spannend werden, weil es noch ein Interview am Ende gebe.

Sie kam und kam aber nicht.

Und als sie doch noch gekommen ist, hat sie zwei Sätze gesagt. Irgendwas von wegen Postkartenlandschaft und schön. Ich glaub, sie hat die Schweiz gemeint. Naja, auf jeden Fall hat der Journalist mich dann gebeten, dich anzurufen und dir ganz genau meine Eindrücke zu erzählen. Er sollte was schreiben, schämt sich aber, weil es so ein PR-Irgendwas ist, hat er gesagt. Nun notiert er sich dauernd, was ich sage. Komisch diese Journalisten. Echt. Aber das ist ne andere Geschichte, ruf dich später wieder an. Tschüüüsss…

 

Nächster Artikel