Am Mittwoch spielen Incognito im Lörracher Burghof ihren «Acid Jazz». Für all jene, die nicht genau wissen, was sie darunter zu verstehen haben, hier eine Liste mit 7 ausgesuchten Beispielen.
Den Begriff «Acid Jazz» haben die britischen DJs Gilles Peterson und Eddie Piller Mitte der Achtziger erfunden, als fast schon satirische Reaktion auf die Acid-House-Welle. Was darunter subsumiert wurde (und unter dem Nachfolgebegrifff «Nu Jazz» bis heute wird), ist schwammig: Zuallermeist britische Bands, die aus jazziger Impro und elektronischen Elementen einen Dancefloor-Sound kreierten, auch solche, die Seitenpfade in den Funk, Soul und HipHop einschlugen oder generell irgendwie einen Retrosound pflegten. Als erste Orientierungsmarke kann gelten, was Peterson auf seinem Label Talkin‘ Loud ab 1990 veröffentlichte.
Ganz vorne dabei ein Kollektiv um den Gitarristen Jean-Paul «Bluey» Maunick namens Incognito. Der Name ist Programm, denn unter den angeblich über 1000 Mitgliedern, die seit 1979 bei Incognito in zahllosen Konzerten und auf weit mehr als einem Dutzend Alben spielten, ragt neben «Bluey» allenfalls noch Sängerin Vanessa Haynes als Konstante heraus.
Keine Band und kein Stil also – wir versuchen trotzdem eine Annäherung an sieben aussergewöhnliche, nun ja, «Acid Jazz»-Tracks, anlässlich des Incognito-Konzerts im Burghof in Lörrach am 12.11.
1. Incognito: «Hats (Makes Me Wanna Holler)» (2014)
Die Protagonisten zuerst: Eine ansteckende Nummer mit Motown-Groove in den Drums und fast schon Stevie-Wondereskem-Gesang von Tony Momrelle aus dem aktuellen, sechzehnten Album «Amplified Soul». Auch wenn es der Untertitel in Klammern suggerieren mag: Marvin Gaye wird nicht zitiert.
2. Brand New Heavies feat. N’Dea Davenport: «Stay This Way» (1990)
Ein Klassiker aus den Anfängen der Acid Jazz-Bewegung und vom Debütalbum der Band aus Ealing. Die Heavies starteten mit funkigem Sunshine-Pop, in dem ihre langjährige Sängerin N’Dea Davenport brillierte. Schon ab dem Folgealbum zeigten sie, dass sie auch mühelos HipHop in ihren Sound integrieren konnten und starteten in den USA durch. Die Heavies gibt es auch heute noch, seit dem vorletzten Album wieder mitsamt Miss Davenport.
3. Jamiroquai: «Space Cowboy» (1995)
An Bandleader Jason Kay scheiden sich oft die Geister: Sahen ihn die einen als etwas lächerliches Remake von Stevie Wonder und Sly Stone, erhoben ihn andere zur Kultfigur. Fest steht, dass Jamiroquai spätestens mit dem Album «The Return Of The Space Cowboy» zu einer der erfolgreichsten Bands der Neunziger überhaupt avancierten, weit über Acid-Jazz-Kreise hinaus. Hier eine ausgedehnte Version ihrer damaligen Erfolgsnummer, die klarmacht, wofür der erste Teil ihres Bandnamens steht, inklusive spontaner Verwandlung des Auditoriums in ein Fumoir.
4. Omar: «Keep Steppin’» (1994)
Auch wenn Acid Jazz fast ausschliesslich eine Band- bzw. Produzentenbewegung war und ist, gibt es doch einen Sänger, der es in die Genre-Annalen geschafft hat. Omar Lye-Fook, kurz Omar, Brite mit jamaikanischen, chinesischen und indischen Vorfahren, explodierte mit seinem Hit «There’s Nothing Like This» 1990 als Selfmade Man und verfeinerte seine Arrangements von Album zu Album. Auf dem 1995er-Werk «For Pleasure» arbeitete er unter anderem mit Motown-Produzent Leon Ware, aus dieser Scheibe ist auch «Keep Steppin’».
5. US3: «Recognize And Realize» (2009)
Sie öffneten 1991 die Box der Pandora, als Geoff Wilkinson die offizielle Erlaubnis bekam, Masterbänder des Jazzlabels Blue Note auszuschlachten. Mit Herbie Hancocks «Cantaloupe Islands» (nun bezeichnenderweise «Cantaloop») begann das Recyceln eines ganzen Musikzeitalters. Der Verbindung aus Jazz, Rap und DJ Culture ist das Projekt aus London bis heute treu geblieben, wie dieser Auftritt aus Bologna zeigt.
6. 4hero feat. Ursula Rucker: «The Awakening» (2007)
Sie haben die Brücke vom Drum’n’Bass zum Acid Jazz geschlagen. Nie festgelegt auf harte Breakbeats, sondern auch immer den Grooves aus R&B und Jazz zugetan, haben Mark Clare und Dennis McFarlane einen einzigartigen Sound geschaffen, der sich von Brasil-Flair bis zu romantischem Philly-Sound spannen kann. Hier eine ihrer zahlreichen Kollaborationen mit der Spoken-Word-Poetin Ursula Rucker.
7. Incognito feat. Ed Motta: «Who Needs Love» (2003)
Zum Final ein Beleg dafür, wie universell die Musik von Incognito ist: Einer der engsten Freunde des britischen Kollektivs ist der brasilianische Soulkoloss Ed Motta, der auf seiner aktuellen CD «AOR» Bluey als Gast empfangen hat, als Retourkutsche für Mottas Partizipation auf dem 2003er-Album «Who needs Love». Hier der Titeltrack in einer Live-Version.