Ägyptens Führung demonstriert weiterhin ihre Macht, mit Massenfestnahmen und Grosseinsätzen gegen oppositionelle Islamisten. Die Regierung sieht sich im Krieg gegen den Extremismus und kündigte Härte an. Sie erwägt auch ein erneutes Verbot der Muslimbruderschaft.
Armeechef Abdel Fattah al-Sisi machte klar, dass das Militär weiterhin hart gegen «gewaltbereite Islamisten» vorgehen wolle. Sein Land werde sich nicht der Gewalt beugen, sagte al-Sisi am Sonntag bei Beratungen mit den wichtigsten Armee- und Polizeivertretern. «Wir werden niemals schweigend der Zerstörung des Landes zusehen», sagte er weiter. Die Muslimbrüder sollten ihren Protest aufgeben und sich wieder am politischen Prozess beteiligen.
In der Regierung gibt es aber auch einzelne Stimmen, die nach dem Tod Hunderter Mursi-Anhänger versöhnliche Töne anklingen lassen. Vize-Ministerpräsident Siad Bahaa Al-Din forderte die sofortige Aufhebung des Notstandes. Alle Parteien sollten für eine Konfliktlösung einbezogen und die Menschenrechte geachtet werden.
Es war unklar, wie viel Unterstützung der liberale Politiker im Kabinett für seinen Vorstoss finden wird. Im Gegensatz zum gleichfalls liberalen Vizepräsidenten Mohamed El-Baradei war Bahaa al-Din nach der Zwangsräumung der Protestcamps von vergangener Woche im Amt geblieben.
«Krieg gegen Extremismus»
Angesichts der über 1000 Festnahmen von Muslimbrüdern und der mit einer Schiesserei verbundenen Räumung einer Moschee im Zentrum Kairos dürfte sich eher die harte Linie von Ministerpräsident Hasem Al-Beblawi durchsetzen. Er war es auch, der ein erneutes Verbot der Muslimbruderschaft ins Gespräch brachte.
Präsidentenberater Mostafa Hegasi sieht das bevölkerungsreichste arabische Land im Krieg gegen den Extremismus. Die Behörden ermitteln gegen 250 Anhänger Mursis wegen Mordes.
Nach stundenlangen Feuergefechten räumten die Sicherheitskräfte am Samstag die Al-Fath-Moschee am Ramsesplatz in Kairo, wo Mursi-Anhänger Unterschlupf gesucht hatten. Dabei kam es zu zahlreichen Festnahmen.
Die Mursi nahestehenden Muslimbrüder riefen nach den schweren Zusammenstössen am Freitag zu einer Woche des Protestes auf. Mehrere für Sonntag geplante Protestmärsche in Kairo sagten sie aber aus «Sicherheitsgründen» ab. Auf den Dächern der umliegenden Häuser seien «Schläger und Scharfschützen» gesichtet worden, hiess es zur Begründung.
Gegensätzliche Darstellungen
Viele westliche Länder, darunter die USA, verurteilten das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte. Ägyptens Aussenminister Nabil Fahmi rechtfertigte in einem Interview des «Spiegel» die umstrittene Räumung der Lager, bei der rund 800 Personen getötet wurden.
Den Muslimbrüdern sei genug Zeit gegeben worden um einzulenken. Durch die Räumung sei offensichtlich geworden, dass sie daran kein Interesse hätten. «Wir fanden Waffenlager und Munition. Die Muslimbrüder suchten die Konfrontation», sagte Fahmi. Zugleich widersprach er der Einschätzung, dass sich Ägypten auf dem Weg zu einer Militärdiktatur befinde.
Amnesty International hingegen sieht die Hauptschuld an den vielen Toten bei den Sicherheitskräften. Sie hätten wahllos getötet und offensichtlich keinen Unterschied gemacht zwischen gewalttätigen und gewaltlosen Demonstranten.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Es müsse verhindert werden, dass weitere Menschen getötet würden, liess Ban am Samstagabend über einen Sprecher erklären. Der Streit müsse friedlich beigelegt werden. Ban verurteilte zudem die jüngsten Angriffe auf Kirchen, Spitäler und öffentliche Einrichtungen in Ägypten. Die EU überprüft in den kommenden Tagen ihre Beziehungen zu Ägypten.