Ägyptens Übergangspräsident Adli Mansur will der eskalierenden Staatskrise mit baldigen Parlamentswahlen entgegenwirken. Mansur legte einen detaillierten Zeitplan vor, der noch dieses Jahr ein Verfassungsreferendum und anschliessend die Wahl eines Parlaments vorsieht.
Das berichteten staatliche Medien am Montagabend. Wie die Zeitung «Al-Ahram» in ihrer Online-Ausgabe ausführte, verfügte Mansur, dass binnen zwei Wochen ein Verfassungsausschuss gebildet werde, der zwei Monate Zeit für die Ausarbeitung von Verfassungsänderungen habe.
Der Übergangspräsident werde diesen Entwurf dann binnen eines Monats der Bevölkerung in einem Referendum zur Abstimmung vorlegen. Anschliessend würden binnen zwei Monaten die Parlamentswahlen abgehalten. Danach werde ein Termin für die Wahl eines neuen Staatschefs festgesetzt.
In Mansurs Dekret, dessen 33 Artikel auch von der staatlichen Nachrichtenagentur Mena veröffentlicht wurde, hob der Übergangspräsident zudem hervor, dass der Staatschef in Ägypten die exekutive Gewalt ausübe und die Justiz unabhängig sei.
Vage Formulierungen
Der Verfassungsrechtler Said Al-Ali sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Art, wie Mansurs Verfügungen formuliert seien, lege nahe, dass das Wahlverfahren bis Ende 2013 beginnen, aber nicht unbedingt abgeschlossen werden solle.
Die vagen Formulierungen liessen die Interpretation zu, dass bis Jahresende nur die Registrierung der Kandidaten für die Parlamentswahl beginnen müsse. Die eigentliche Wahl werde dann erst etwa drei Monate später abgeschlossen.
Verfassung nach Mursi-Sturz ausgesetzt
Die ägyptischen Streitkräfte hatten am Mittwoch den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi infolge tagelanger Massenproteste abgesetzt und den obersten Verfassungsrichter Mansur zum Übergangspräsidenten gemacht. Die im Dezember per Referendum beschlossene islamistisch geprägte Landesverfassung wurde ausgesetzt.
Das liberal-säkulare Lager hatte die die Beratungen der Verfassungsversammlung am Ende boykottiert und auch nicht an der Endabstimmung über den Entwurf teilgenommen. Es sah in dem Verfassungstext den Versuch der Muslimbrüder, die Gesellschaft weiter zu islamisieren.
Blutige Zusammenstösse
Angesichts von Mursis Absetzung ist Ägyptens Gesellschaft tief gespalten. Am Montag wurden bei Zusammenstössen zwischen Mursi-Anhängern und ägyptischen Sicherheitskräften in Kairo nach Angaben von Rettungskräften 51 Menschen getötet und mehr als 430 weitere verletzt. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation, Mansur ordnete eine Untersuchung an.
Die Partei der Muslimbruderschaft, der Mursi nahesteht, rief wegen der Gewalt zu einem «Aufstand des ägyptischen Volkes» auf. Alle Ägypter im ganzen Land seien aufgerufen, am Dienstag auf die Strasse zu ziehen und gegen den Militärputsch und das jüngste Massaker zu protestieren, sagte der Sprecher eines von den Muslimbrüdern angeführten Bündnisses.
Ban fordert unabhängige Untersuchung
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon reagierte besorgt auf die zunehmende Gewalt und forderte eine unabhängige Untersuchung der Zusammenstösse, wie sein Sprecher Martin Nesirky in New York mitteilte. Ban rief überdies die Ägypter auf, «alles zu tun, um eine Eskalation zu verhindern».
Das US-Aussenministerium rief die ägyptische Armee zu «maximaler Zurückhaltung» auf. Das Weisse Haus rügte derweil Mursis Muslimbrüder wegen des «ausdrücklichen» Aufrufs zur Gewalt. Die Situation in Ägypten habe aber zunächst keine Folgen für die milliardenschwere US-Militärhilfe, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney.