Drei Tage nach der Eroberung von Kundus durch die Taliban haben afghanische und ausländische Truppen nach eigenen Angaben die Aufständischen aus dem Zentrum der nordafghanischen Provinzhauptstadt vertrieben. Die Taliban sprachen von einem vorübergehenden Rückzug.
«Wir haben die Stadt Kundus zurückerobert», zitierten die Nachrichtenagenturen Reuters und dpa am Donnerstag den amtierenden Provinzgouverneur Hamdullah Daneschi. «In manchen Gegenden in der Stadt wird noch sporadisch geschossen, weil sich einige Taliban in Wohnhäusern versteckt haben», sagte er.
Daneschi sagte am Donnerstag per Telefon: «Ich spreche vom Sitz des Gouverneurs aus zu ihnen. Ich war auch im Polizei-Hauptquartier. Alles ist unter Kontrolle der Sicherheitskräfte.» Eine am nördlichen Stadtrand gelegene Militärbasis, die die Taliban am Mittwoch erobert hatten, sei bombardiert worden.
An der Offensive zur Rückeroberung von Kundus hätten 600 bis 700 afghanische Sicherheitskräfte teilgenommen. An dem Bodeneinsatz seien auch ausländische Truppen beteiligt gewesen, die ausserdem mit Luftangriffen unterstützt hätten.
136 Taliban-Kämpfer seien getötet worden. Darunter seien neben Afghanen auch Pakistaner, Araber und Tschetschenen gewesen. 60 Taliban-Kämpfer seien verwundet worden. Er gehe von einer niedrigen Zahl von Toten bei den afghanischen Sicherheitskräften aus, könne aber keine genauen Angaben machen.
Auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, die Taliban hätten Kundus verlassen. Der Militärschlag habe am Mittwoch um 23.00 Uhr Ortszeit begonnen und sei am Donnerstag um 4.00 Uhr beendet worden.
Taliban wollen wieder angreifen
Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, sie hätten sich vergangene Nacht zurückgezogen, «weil sich ausländische Truppen an den Kämpfen beteiligten.» Man werde die Stadt nun erneut angreifen und versuchen, bis zum Flughafen am Stadtrand vorzudringen.
Ein Einwohner von Kundus berichtete, im Stadtzentrum seien die Taliban-Flagge abgenommen und wieder die Nationalflagge gehisst worden. Auf den Strassen lägen zahlreiche Leichen von Taliban-Kämpfern.
Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus hatten die radikalislamischen Taliban die Stadt am Montag überrannt. Kundus war die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständischen erobert wurde. Zwischenzeitlich hatten die Taliban die Regierungstruppen bis zum Flughafen am Stadtrand zurückgedrängt, wohin auch Daneschi geflohen war.
Gouverneur Safi entlassen
Die Leitung der NATO-geführten Ausbildungsmission «Resolute Support» teilte am Mittwochabend mit, Spezialkräfte der «Koalitionstruppen», darunter auch US-Soldaten, hätten die afghanischen Sicherheitskräfte am Flughafen beraten und unterstützt. Am Dienstag und Mittwoch hätten US-Streitkräfte insgesamt fünf Luftangriffe in Kundus geflogen.
Präsident Aschraf Ghani enthob den Gouverneur von Kundus, Mohammad Omar Safi, seines Amtes. Safi hatte sich während der Krise im Ausland aufgehalten. Vizegouverneur Daneschi sei per Dekret des Präsidenten zum amtierenden Gouverneur ernannt worden, sagte ein Sprecher Ghanis.