Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag soll nach dem Willen der Afrikanischen Union (AU) nicht mehr gegen amtierende Staats- und Regierungschefs vorgehen. Die 54 AU-Aussenminister forderten nach einer bis in die Nacht andauernden Sitzung in Addis Abeba zudem, die Anklagen gegen Kenias Präsident Uhuru Kenyatta und seinen Vize William Ruto ruhen zu lassen.
Es wurde erwartet, dass die Forderungen von den AU-Regierungen am Samstag aufgegriffen würden. Menschenrechtsgruppen hatten befürchtet, dass die AU-Minister einen Bruch Afrikas mit dem ICC fordern könnten. Äthiopiens Ministerpräsident Hailemariam Desalegn betonte, man wolle «keinen Kreuzzug» gegen das Gericht führen. Die Sorgen der Afrikaner müssten jedoch erst genommen werden.
Der ICC wurde 2002 durch die Ratifizierung des Rom-Statuts ins Leben gerufen. 34 der 54 afrikanischen Staaten traten dem ICC bei. Seitdem sind nur Afrikaner angeklagt worden. Auch der einzige Schuldspruch erging gegen einen Afrikaner, den Kriegsherrn Thomas Lubanga aus Kongo.
«Werkzeug des Westens»
Das Gericht wird deshalb von einigen Afrikanern als Werkzeug des Westens gesehen. Der ICC habe sich zum «politischen Instrument gegen Afrikaner und Afrika gewandelt», sagte Äthiopiens Aussenminister Tedros Adhanom Ghebreyesusam.
Für Unmut sorgt auch, dass Weltmächte wie die USA, China, Russland sowie Staaten wie Israel, Pakistan und Indien sich nicht dem Gericht unterworfen haben. Der äthiopische Premier Hailemariam sprach von «zweierlei Mass», mit dem das Gericht und der UNO-Sicherheitsrat seinen Kontinent behandle. Anfang September stimmte das Parlament in Kenia dafür, die Zusammenarbeit mit dem ICC aufzukündigen.
Abschreckende Wirkung
Der ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda – selbst aus Gambia – hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Sie weist auf eine abschreckende Wirkung des Gerichts hin. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International fordern ebenfalls im Namen der Opfer politischer Gewalt eine weitere Zusammenarbeit.
Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu hatte sich in einem aufsehenerregenden Beitrag vehement gegen eine Abwendung Afrikas vom ICC ausgesprochen. Afrikanische Führer, die das wollten, suchten nur «eine Lizenz zum Töten und zur Unterdrückung ihrer Völker ohne Konsequenzen», sagte der Ex-Erzbischof von Kapstadt.
Kenyatta und Ruto weisen Vorwürfe zurück, sie seien für Todesfälle nach ihrer Wahl 2007 verantwortlich. Der ebenfalls angeklagte sudanesische Präsident Omar Hassan al-Bashir verweigert die Zusammenarbeit mit dem Gericht.