Mit einer harschen Attacke gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) hat am Freitag der Gipfel der Afrikanischen Union (AU) begonnen. Das Gericht behandle Afrika und die Afrikaner «ungerecht», sagte der äthiopische Aussenminister Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Dies sei «vollkommen inakzeptabel», sagte Tedros, dessen Land derzeit den AU-Vorsitz innehat, zu Beginn der Tagung in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Am Samstag sollen die Staats- und Regierungschefs der AU-Mitgliedstaaten auf ihrem Sondertreffen entscheiden, ob sie dem ICC ihre Unterstützung entziehen.
Hintergrund der Debatte ist die Tatsache, dass der in Den Haag ansässige Gerichtshof bisher ausschliesslich Afrikaner angeklagt hat. Derzeit führt das Gericht acht Verfahren gegen Afrikaner, vier der Fälle wurden allerdings von den jeweiligen Heimatländern an Den Haag überwiesen.
Anstatt «Gerechtigkeit und Versöhnung» zu fördern, habe sich der ICC « zu einem politischen Instrument gegen Afrika und die Afrikaner entwickelt», kritisierte Tedros.
Im kenianischen Parlament gab es im vergangenen Monat bereits eine Initiative, sich aus dem sogenannten Römischen Statut, der Rechtsgrundlage für die Arbeit des ICC, zurück zu ziehen. Das wäre ein Novum. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta und sein Vize William Ruto sind in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
Kritik von Tutu
Auch weitere der 54 AU-Mitgliedstaaten ziehen einen Rückzug in Erwägung. Andere sind zurückhaltender. Unter den 122 Ländern, die das Römische Statut unterzeichnet haben, sind 34 aus Afrika – ihr Rückzug könnte die Institution schwer beschädigen.
Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu attackierte die Kritiker des ICC am Freitag scharf. «Die politischen Führer, die das Gericht umgehen wollen, streben eigentlich nach einer Lizenz zum Töten, Verstümmeln und Unterdrücken ihres eigenen Volkes ohne Konsequenzen», schrieb Tutu in einem Gastbeitrag für mehrere Zeitungen.
Bereits am Donnerstag hatte der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan erklärt, in der Debatte gehe es mehr um den Schutz der politischen Führungsriege als der Opfer. Ein Rückzug vom ICC wäre eine Blamage für Afrika, warnte er. Auch ein Zusammenschluss von 130 afrikanischen Bürger- und Menschenrechtsorganisationen drückte dem Gericht seine Unterstützung aus.