Aggressivität könnte das Gehirn schneller altern lassen

Aggressivität und eine schlechte Anpassungsfähigkeit könnten das Risiko erhöhen, im mittleren Lebensalter Gedächtnisprobleme zu entwickeln. Zu diesem Schluss kommt eine Studie Schweizer und amerikanischer Forscher im Fachjournal «Neurology».

Aggressives Verhalten bei jungen Erwachsenen scheint mit einem höheren Risiko zusammenzuhängen, später im Leben Gedächtnisprobleme zu entwickeln. (Archiv) (Bild: sda)

Aggressivität und eine schlechte Anpassungsfähigkeit könnten das Risiko erhöhen, im mittleren Lebensalter Gedächtnisprobleme zu entwickeln. Zu diesem Schluss kommt eine Studie Schweizer und amerikanischer Forscher im Fachjournal «Neurology».

«Wir haben festgestellt, dass eine generell unfreundliche Einstellung und schlechte Stressbewältigung einen ähnlichen Effekt auf unsere geistigen Fähigkeit haben wie das Altern um etwa ein Jahrzehnt», erklärte Studienleiter Emiliano Albanese von der Universität Genf in einer Mitteilung der Hochschule vom Mittwoch.

Die Schweizer und amerikanischen Forscher um Albanese verwendeten Daten der Studie «Coronary Artery Risk Development in Young Adults (CARDIA)», welche das Risiko junger Erwachsener untersuchte, später eine Erkrankung der Herzkranzgefässe zu entwickeln. Die Studie erlaubte ausserdem, die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten bei über 3000 Personen während mehr als zwei Jahrzehnten zu verfolgen.

3126 Personen im Durchschnittsalter von 25 Jahren durchliefen Persönlichkeitstests, die Merkmale wie die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, sowie ihre Vernunfts- und Gedächtniskapazität bestimmten. Die Teilnehmenden wurden im Laufe von 25 Jahren noch mehrere Male getestet.

Tests auf Aggressivität und Anpassungsfähigkeit

Die psychologischen Tests enthielten zudem Fragen zu aggressivem Verhalten, fehlendem Vertrauen in andere oder negative Gefühle im Zusammenhang mit sozialen Kontakten. Ebenso wurde die Anpassungsfähigkeit überprüft, also wie viel Energie die Person investieren musste, um widrige Umstände oder wiederholte Rückschläge zu überwinden.

Die Analyse der Daten zeigte, dass Personen mit ausgeprägt aggressiver Einstellung und solche, die am meisten Mühe hatten, sich an schwierige Situationen anzupassen, 25 Jahre später bei Gedächtnistests schlechter abschnitten.

Bei der Aufgabe, sich 15 Wörter zu merken, konnten sich die zu Beginn der Studie aggressivsten Teilnehmenden durchschnittlich an 0,16 Wörter weniger erinnern als die am wenigsten aggressiven. Ebenso schnitten die am wenigsten anpassungsfähigen Personen um 0,3 Wörter schlechter ab als die mit besserer Stressbewältigung.

Ähnlicher Effekt wie zehn Jahre altern

Dieser Befund sei erstaunlich bei Personen ohne kognitive Einschränkungen, schrieb die Universität Genf. Ein ähnlicher Verlust an Erinnerungsvermögen zeige sich bei dem Test mit 50-Jährigen im Vergleich zu Teilnehmern im Alter von 40. Die Älteren schnitten demnach um durchschnittlich 0,2 Wörter schlechter ab.

«Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie», sagte Albanese in der Mitteilung. Sie beweise nicht, dass Aggressivität und schlechte Stressbewältigung kognitive Probleme auslösten. Sie zeige nur einen Zusammenhang.

Frühere Studien hatten zwar bereits einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und kognitiven Einschränkungen bis hin zu Alzheimer festgestellt. Dies sei jedoch die erste Studie, welche die Persönlichkeit junger Erwachsener und ihre kognitiven Fähigkeiten mit um die 50 Jahren gemessen habe, so die Mitteilung.

Etwa in diesem Alter setze der Abbau kognitiver Fähigkeiten ein, und Gegenmassnahmen hätten eine grössere Chance auf Erfolg als später. «Wenn sich dieser Zusammenhang in weiteren Studien bestätigen lässt, könnten wir testen, ob Massnahmen zur Förderung positiver sozialer Interaktionen und besserer Stressbewältigung das Risiko für spätere kognitive Probleme senkt», sagte Albanese.

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