Die Initiative «AHVplus» des Gewerkschaftsbundes ist mit 59,4 Prozent Nein-Stimmen gescheitert. Die deutliche Ablehnung wird die Debatte um die Reform der Altersvorsorge prägen, die morgen Montag im Nationalrat beginnt.
921’000 Stimmende sagten Ja zur Initiative, die 10 Prozent höhere AHV-Renten verlangte. 1’348’000 sprachen sich dagegen aus. Das Ständemehr erreichte die «AHVplus»-Initiative ebenfalls nicht. Sie kam auf 5 Standesstimmen, 12 wären für eine Annahme nötig gewesen.
Die Initiative spaltete die Landesteile. Das Tessin und die meisten Westschweizer Kantone stimmten für die flächendeckende Erhöhung der AHV-Renten. Mit 59,5 Prozent kam aus dem Kanton Jura das deutlichste Ja, gefolgt von Neuenburg, Genf, dem Tessin und der Waadt.
Hohe Ablehnung in Bern und Zürich
Das Wallis und der Kanton Freiburg schlugen sich ins Nein-Lager. In den kleinen Ost- und Innerschweizer Kantonen war die Ablehnung am deutlichsten. In Appenzell Innerrhoden sagten 77,7 Prozent der Stimmenden Nein, in Obwalden 75,1 Prozent. Auch Bern und Zürich lehnten die Initiative mit über 60 Prozent ab, Basel-Stadt mit 50,1 Prozent.
Gegenüber der letzten Umfrage hat die Initiative damit noch einmal verloren. Mitte September hatte sich erst eine knappe Mehrheit der Befragten gegen die Rentenerhöhung ausgesprochen.
Diskussion um Rentenzuschlag
Das deutliche Resultat ist Wasser auf die Mühlen jener bürgerlichen Parteien, die bei der Reform der Altersvorsorge eine Erhöhung der AHV-Renten ablehnt. Der Ständerat hat einen Zuschlag von 70 Franken auf neue Einzelrenten beschlossen, um die Senkung des Umwandlungssatzes auszugleichen. Den Plafond für Ehepaar-Renten will er von 150 auf 155 Prozent erhöhen.
Bei Annahme der Initiative hätten Alleinstehende nach Berechnungen des SGB ab 2018 im Durchschnitt monatlich 200 Franken mehr im Portemonnaie gehabt, Ehepaare 350 Franken. Mit dem Zuschlag würde das Anliegen der Initiative also zu rund einem Drittel umgesetzt.
Die Gesundheitskommission des Nationalrats lehnt das ab. Für die Mehrheit haben SVP, FDP und GLP gesorgt. Ein Ausbau der AHV-Renten komme angesichts der schwierigen Lage der Sozialversicherung nicht in Frage, argumentieren sie.
Ausgleich für Einbussen
Die Befürworter des Zuschlags sehen das anders. Die Initiative hätte die Einbussen ausgleichen sollen, die durch den Mischindex bei den AHV-Renten entstanden seien, sagte SP-Nationalrätin Silvia Schenker (BS). Der Zuschlag um 70 Franken hingegen sei ein Ausgleich für die geplante Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge. Dieser Schritt führt zu 12 Prozent tieferen BVG-Renten.
Ein Unterschied zwischen der Initiative und dem umstrittenen Zuschlag sind auch die Kosten. Von der Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken sollen nur Neurentnerinnen und Neurentner profitieren, die Kosten steigen also nur langsam an. 2030 würden sie sich nach Berechnungen der Bundesverwaltung auf 1,4 Milliarden Franken belaufen. Zur Finanzierung sollen nach dem Willen des Ständerats 0,3 zusätzliche Lohnprozente erhoben werden.
Die Initiative hingegen hätte bereit bei der Inkraftsetzung über 4 Milliarden Franken gekostet. Wegen der wachsenden Rentnergeneration wäre der Betrag danach jedes Jahr höher ausgefallen. Über die Finanzierung sagte die Initiative nichts aus. Die Urheber hatten vorgeschlagen, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern je 0,4 Lohnprozente zusätzlich einzuziehen, insgesamt also 0,8 Prozent. Auch der Bund hätte einen höheren Beitrag leisten müssen.
Die hohen Kosten waren für die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände inakzeptabel. Sie erinnerten im Abstimmungskampf daran, dass der AHV ohnehin ein Milliardenloch drohe. Die Gegner befürchteten auch, dass die zusätzlich erhobenen Lohnprozente Spuren im Arbeitsmarkt hinterlassen könnten.
Für weitere Kritik sorgte, dass viele Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen nicht von der Initiative profitiert hätte. Nicht zuletzt aus diesem Grund lehnte auch der Bundesrat die Initiative ab.
Strukturelle Probleme
Diese hätte die strukturellen Probleme der Altersvorsorge ohnehin nicht gelöst. Die AHV braucht zusätzliche Einnahmen, um für eine wachsende Rentnergeneration aufzukommen. Die zweite Säule leidet unter der steigenden Lebenserwartung und den sinkenden Anlagerenditen.
Gemäss den Beschlüssen des Ständerats soll die AHV unter anderem durch ein höheres Frauenrentenalter und zusätzliche Mehrwertsteuer-Prozente entlastet werden, die berufliche Vorsorge durch einen tieferen Umwandlungssatz. Den Zuschlag zu den AHV-Renten hatte der Ständerat beschlossen, um die Linke für die Reform zu gewinnen.
Im Nationalrat dürfte darüber heftig gestritten werden. Eine Mehrheit ist aber nicht zu erwarten. Ein weiterer Streitpunkt ist der von der Kommission beantragte Mechanismus zur Stabilisierung der AHV. Sobald der AHV-Fonds unter ein bestimmtes Niveau sinkt, soll das Rentenalter automatisch auf 67 Jahre erhöht werden.