Aktionsplan mit Türkei soll dem «Durchwinken» auf der Balkanroute ein Ende setzen

Die EU gibt sich und der Türkei noch zwei Wochen Zeit für eine deutliche Eindämmung der Flüchtlingsbewegung. Der EU-Gipfel beschloss in der Nacht zum Freitag, schon in zwei Wochen erneut in Brüssel zusammenzukommen – dann mit einem Vertreter Ankaras.

«Schlacht um Plan A, B und C vermeiden»: Tusk (rechts) und Juncker fordern europäische Strategie in der Flüchtlingskrise. (Bild: sda)

Die EU gibt sich und der Türkei noch zwei Wochen Zeit für eine deutliche Eindämmung der Flüchtlingsbewegung. Der EU-Gipfel beschloss in der Nacht zum Freitag, schon in zwei Wochen erneut in Brüssel zusammenzukommen – dann mit einem Vertreter Ankaras.

Die Unsicherheit sei insbesondere auf dem westlichen Balkan gross, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel: die «Dringlichkeit schneller zu werden ist absolut gegeben». Auf dem Sonderrat müsse deswegen bewertet werden, welche anderen Massnahmen über den Türkei-Aktionsplan hinaus «gegebenenfalls ergriffen werden müssen», sollte die illegale Migration nicht spürbar zurückgehen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk rief zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu auf, europäische Lösungen zu suchen und nicht auf nationale Alleingänge zu setzen. Sie ermahnten damit Österreich, das am Mittwoch angekündigt hatte, ab diesem Freitag nur noch 80 Flüchtlinge pro Tag aufzunehmen.

Um einen Konsens aufzubauen, müsse die EU «eine Schlacht um Plan A, B und C vermeiden», forderte Tusk. «Das ist vollkommen sinnlos, weil es zu Spaltungen innerhalb der Europäischen Union führt.» In der Gipfelerklärung hiess es, das «Durchwinken» müsse ebenso beendet werden wie «unkoordinierte Massnahmen» in der Flüchtlingskrise.

Österreich verschiebt nichts

Österreichs Kanzler Werner Faymann zeigte sich unbeeindruckt von der Kritik. «Wir können nicht das Asylrecht für ganz Europa tragen», sagte er. Deswegen werde die Obergrenze auch wie geplant eingeführt. «Da gibt’s nichts zu verschieben.» Die Gesamtzahl von 37’500 Flüchtlingen pro Jahr sei «keine Kleinigkeit, die müssen integriert werden, die brauchen faire Verfahren, die brauchen Wohnungen, Arbeitsplätze».

Die EU-Kommission hält das Vorgehen für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Konvention sowie mit Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta.

Merkel sagte, insbesondere einige Länder des westlichen Balkans seien «überrascht» von der Wiener Entscheidung gewesen. Letztlich zeige diese aber «die Dringlichkeit», mit der nun Fortschritte erzielt werden müssten.

Die Kanzlerin stellte der Türkei in Aussicht, dass die EU ihr auf legalem Wege Flüchtlinge abnehmen werde. Wenn die illegale Migration runtergehe, «dann wird man sehr schnell weitersehen». Konkrete Zusagen an Ankara gab es am Freitag nicht.

Merkel gescheitert

Auch wenn es wenig greifbare Beschlüsse gab, zeigte sich Merkel «sehr zufrieden». Tusk sagte, die Diskussion habe die Meinung bekräftigt, dass «ein europäischer Konsens aufgebaut» werden müsse.

Merkel scheiterte allerdings mit dem Versuch, eine Formulierung der Schlussfolgerungen abzuschwächen. Darin werden Schengen-Mitglieder aufgefordert, an den Aussengrenzen all jene Flüchtlinge abzuweisen, «die die Aufnahmebedingungen nicht erfüllen oder die nicht vorher Asyl beantragt haben, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten».

Tausende Flüchtlinge könnten sich so insbesondere an der slowenischen Grenze zu Kroatien stauen, so die Befürchtung Berlins. Slowenien liegt auf der Hauptroute der Flüchtlingsbewegung aus der Türkei durch Griechenland Richtung Norden und ist – anders als Kroatien – im Schengenraum, hat damit also eine Schengen-Aussengrenze.

Renzis Drohung

Dass Merkel auf dem Gipfel auf eine Änderung der Formulierung pochte, wenn auch erfolglos, stiess auf scharfe Kritik. «Seit zwei Stunden wird ein ausgewogener und direkter Entwurf für die Schlussfolgerungen auseinander gepflückt», beschwerte sich der tschechische Europastaatssekretär Tomas Prouza auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi drohte indes den osteuropäischen Staaten beim EU-Gipfel einem Insider zufolge mit der Kürzung von Finanzmitteln, wenn sie nicht stärker in der Flüchtlingskrise kooperieren. «Die Migrationskrise ist ein gemeinsames Problem aller EU-Länder.»

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