Das Atomkraftwerk Beznau sei nicht genügend erdbebensicher, machen Umweltorganisationen und Anwohner geltend. Sie verlangen, dass es zumindest vorläufig abgeschaltet wird. Dem ENSI werfen sie vor, die Strahlenschutzbestimmungen systematisch falsch anzuwenden.
Nach der Atomkatastrophe in Fukushima mussten die Schweizer AKW-Betreiber ihre Anlagen in Sachen Erdbebensicherheit überprüfen lassen. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) habe nach der Störfallanalyse im Juli 2012 zugelassen, Beznau weiter zu betreiben, schrieben Anwohner und Organisationen am Donnerstag.
Zur Gruppe gehören die Umweltorganisationen Greenpeace, Schweizerische Energie-Stiftung und Trinationaler Atomschutzverband sowie 15 Anwohner des AKW in Döttingen AG. Sie verlangen nun vom ENSI, auf seinen damaligen Entscheid zurückzukommen.
100 Mal zu hoher Strahlenschutzwert
Die Atomaufsicht habe einen 100 Mal zu hohen Strahlenschutzwert angewendet, begründen sie dies. Die Störfallanalyse gehe von einem so starken Erdbeben aus, wie es sich alle 10’000 Jahre ereigne. Der Strahlenschutzwert dürfe dann aber nicht wie vom ENSI angewendet 100 Millisievert betragen, sondern nur 1 Millisievert.
Bei einem Erdbeben wie es alle 10’000 Jahre vorkomme, wäre die Bevölkerung in der Umgebung des AKW im Jahr nach dem Störfall einer Dosis von 78 Millisievert ausgesetzt, machen die Organisationen und Anwohner geltend. Bei einer Dosis von 100 Millisievert sterbe ungefähr einer von 100 Menschen verfrüht.
Würde das ENSI die richtigen Strahlenschutzgrenzwerte anwenden, müsste das AKW Beznau zumindest vorläufig vom Netz genommen und nachgerüstet werden. Die von den Umweltorganisationen unterstützten Anwohner ersuchen das ENSI, seinen Entscheid von 2012 in diesem Sinn zu korrigieren.
Die bisherigen Nachrüstungen im Umfang von 700 Mio. Franken hätten keinen Einfluss auf die Erdbebensicherheit, macht die Gruppe geltend. Bleibe das ENSI bei seiner bisherigen Haltung, müsse es dazu eine Verfügung erlassen, hiess es dazu in der Mitteilung. Diese könnte allenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten und der Entscheid bis vor das Bundesgericht weitergezogen werden.
Die Gruppe führt an, dass die Strahlenschutzverordnung für Störfälle, die alle hundert bis alle zehntausend Jahre zu erwarten sind, einen Grenzwert von einem Millisievert vorschreibt. Erst für noch seltener zu erwartende Ereignisse gelte der höhere Grenzwert von 100 Millisievert.
Trägerverein gegründet
Um das Vorhaben zu unterstützen, ist der Trägerverein «Beznau Verfahren» gegründet worden. Damit sollen Interessierte die Möglichkeit erhalten, beizutreten und die rechtlichen Schritte mitzutragen. Präsidentin des Vereins ist die Aargauer Grünen-Grossrätin Irène Kälin.
Nichts zu tun hat die Forderung, das älteste Schweizer AKW abzuschalten, mit den Materialfehlern am Reaktordruckbehälter des Reaktors Beznau 1, wie es in der Mitteilung hiess. Dieser ältere der beiden Reaktoren von Beznau ist seit 1969 am Netz und gilt als weltweit dienstältestes kommerzielles AKW. Block 2 ist weitgehend baugleich und seit 1971 in Betrieb.