All gave some, some gave all

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben meine deutschen Landsleute ein gestörtes Verhältnis zu Wörtern wie «Vaterland», «Vaterlandsliebe» oder «Nationalstolz». Diese werden eigenlich nur von Leuten einer bestimmten politischen Couleur in den Mund genommen, und ab und zu kochen sie bei Fussballspielen hoch, wie man bei der WM 2006 sehen konnte. Amerikaner sind stolz auf […]

Gesehen im Süden Ohios.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben meine deutschen Landsleute ein gestörtes Verhältnis zu Wörtern wie «Vaterland», «Vaterlandsliebe» oder «Nationalstolz». Diese werden eigenlich nur von Leuten einer bestimmten politischen Couleur in den Mund genommen, und ab und zu kochen sie bei Fussballspielen hoch, wie man bei der WM 2006 sehen konnte.

Amerikaner sind stolz auf ihr Land; zumindest gewinnt man den Eindruck, wenn man unterwegs ist. Überall Fahnen, Slogans. In der Schule wird jeden Morgen der «Pledge of Allegiance» aufgesagt, bei allen High School Footballspielen ertönt die Nationalhymne. Und wenn auch sehr viele nicht mitsingen, stehen sie da, Hand auf dem Herzen, barhäuptig. Selbst Freunde unsererseits, die ihr Land sehr kritisch sehen, sind irgendwo stolz darauf, Amerikaner zu sein. Was mich angeht mit Recht, denn die Vereinigten Staaten haben zahllose Wissenschaftler, Künstler, Autoren etc. hervorgebracht, technischen Fortschritt vorangetrieben. Ja, sie haben auch intern und extern viel Schlechtes angerichtet, aber darum geht es hier nicht.

In Deutschland habe ich das nie so erfahren. Man stelle sich das vor, jeden Morgen Fahneneid? Deutsche Fahnen vor dem Haus, die ganze Strasse hinunter? Wir haben ein gebrochenes Verhältnis zu diesen Dingen, und das einzige Mal, als ich das Land meiner Geburt im nationalen Rausch erlebt habe, war zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft 2006. So viele Fahnen auf Autos hatte ich noch nie gesehen, und alle führten sich auf, als hätten sie Geburtstag. Man feierte sich als Deutsche.

Patriotismus gehört hier zum guten Ton, insbesondere, wenn man Präsident werden möchte. Soldaten in der Familie zu haben, ist (wieder) ein Grund zur öffentlichen Zurschaustellung von Nationalgefühl. «Proud parent of a Marine.» (Stolzer Elternteil eines Marines.) prangt auf Autos, «All gave some, some gave all» («Alle gaben etwas, manche gaben alles», eine Anspielung auf gefallene Soldaten) auf Billboards, und der lokale Rotaryclub verpachtet jedes Jahr Fahnen, die man auf sehr stabilen Metallstangen vors Haus gestellt bekommt. Ganze Strassenzüge sind hier so dekoriert.

Ich sehe diese Dinge und denke mir, die Diskussionen in Deutschland würden wohl etwas anders geführt, bestimmten Parteien das Wasser abgegraben, wenn man mit Nationalstolz anders umginge. «Patriotismus» sollte kein Wort sein, das Leuten mit Springerstiefeln und Glatze gepachtet haben.

Ich persönlich bin stolz darauf, wo ich herkomme. Und stolz auf das Land, in dem ich lebe.

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