Die Deutschschweizer Sonntagszeitungen finden für die Leistung des Nationalteams im EM-Achtelfinal gegen Polen viele lobende Worte. Sie schreiben aber auch von einer verpassten Chance.
Sonntagszeitung: «Alles wie gehabt – und doch ist es diesmal besser» – „Sie sind das, was sie in der Neuzeit des Fussballs bestenfalls gewesen sind: Sie sind ein Achtelfinalist eines Turniers und nicht mehr. Sie haben darum, auf den ersten Blick gesehen, den Nachweis nicht erbracht, reif für den nächsten Schritt zu sein, und sind am Tag ihrer grossen Prüfung gescheitert. Es stimmt deshalb auch, dass sie an Ort treten und ihnen das letzte, das entscheidende bisschen weiterhin abgeht.
Und doch tut ihnen Unrecht, wer ihre Bilanz an dieser EM darauf reduziert, auf die Niederlage im Achtelfinal, auf den nackten Fakt. Sie sind nicht krachend gescheitert, alles in allem haben sie ein gutes Turnier gespielt. Sie haben sich zu einer Form gesteigert, die normalerweise ausreicht, um einen Gegner vom Kaliber Polens zu eliminieren. Es mag vielleicht nicht zum Ertrag passen, aber was sie an diesem Samstag in Saint-Etienne nach einer ziemlich verkorksten ersten Halbzeit bieten, ist leidenschaftlich und voller Mut, ist phasenweise mitreissend und fast so spektakulär wie der Scherenschlag von Xherdan Shaqiri. (…) Dass es Granit Xhaka ist, der das Tor gleich um Meter verfehlt und als Einziger mit seinem Versuch scheitert, ist Ironie.“
NZZ am Sonntag: «Der verpasste Moment» – «Und dennoch ist es eine böse Ironie von Xhakas Fehlschuss, dass er jenem Spieler passierte, der sich an dieser Euro in jedem Match gesteigert hat, der im Mittelfeld die Fäden zog, zu einem Chef der Mannschaft gereift ist. (…) Es war, als hätten die Schweizer alles Glück auf einmal aufgebraucht, bei diesem einen Ball von Shaqiri, den in diesem Schweizer Team nur er so treffen kann, und selbst er braucht etwas Hilfe vom Schicksal dazu. Aber später, beim Penaltyschiessen, war von all dem nichts mehr übrig. Am Schluss bleibt für dieses Team etwas bestehen, das trotz der Enttäuschung wertvoll ist: ein guter Eindruck.»
Ostschweiz am Sonntag: «Es verschlägt einem die Sprache nach dem tragischen Ausscheiden der Schweiz im EM-Achtelfinal. Ein Out, das negativ behaftet wäre: Aber die Niederlage gegen Polen kommt anders daher. Die Schweiz ist nicht kläglich gescheitert, wie viele ihr im Vorfeld prophezeit hatten. Im Gegenteil. Nur hat sie eine ausgezeichnete, vielleicht sogar einmalige Chance verpasst, Geschichte zu schreiben und sich für die Zukunft einen Status zu geben, der von allen Seiten wahrgenommen wird. Die Auftritte in Frankreich kamen einem Steigerungslauf gleich, der Freude bereitete. (…) Wie die Schweiz auf das 0:1 reagierte, wie Xherdan Shaqiri das 1:1 erzielte, wie sie alles probierte und sich Chancen erarbeitete, verdient grössten Respekt. Einziges Manko blieb die Effizienz vor dem Tor – sie war am Ende ausschlaggebend, vermutlich eben auch bezeichnend. Und vielleicht gehört es zur kleinen Schweiz, ehrenvoll auszuscheiden.»
Zentralschweiz am Sonntag: «Respekt und kräftiger Applaus» – «Zwar war der Achtelfinal das selbst erklärte Ziel. Sie haben in ihren EM-Auftritten indes mehr als bloss Dienst nach Vorschrift abgeliefert. Klar, die Schweizer haben weder die Effizienz von Weltmeister Deutschland noch die Stilsicherheit von Europameister Spanien. Die Schwächen sind bestens bekannt. Aber: Unsere Auswahl hat sich nach dem zittrigen EM-Start stetig gesteigert. Sie hat sich ohne Niederlage in die K.-o.-Runde gespielt. (…) Nationaltrainer Vladimir Petkovic hat es geschafft, seine doch sehr unterschiedlichen Spielercharaktere zu einem Team zu formen, das viel Einsatzwillen zeigt. Fussball ist ein Mannschaftssport. Teamgeist, Herzblut, damit lässt sich so mancher individuelle Makel kompensieren.»
Schweiz am Sonntag: «Der Traum beginnt erst» – «Heroische Schweizer verlieren den EM-Achtelfinal gegen Polen im Penaltyschiessen – die Geschichte wiederholt sich» – «Es hätte ein Nachmittag werden können, aus dem diese Schweizer Mannschaft ein neues Selbstverständnis schöpft. Ein Erlebnis von historischem Ausmass, das zusammenschweisst und diese Generation prägen könnte. Es war die grosse Chance, erstmals im modernen Fussball in einem grossen Turnier in den Viertelfinal zu kommen. Und nun dominiert: Leere. Die wunderbare Europameisterschaft ist für die Schweiz viel zu schnell zu Ende.»
SonntagsBlick: «Was für ein heroischer Kampf, was für ein Drama, was für ein bitteres Ende! Aus einem Geheimfavoriten Schweiz ist ein Geh-heim-favorit geworden. Natürlich: Man kann jetzt die Sinnfrage stellen. Man kann über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit reden.»
(…) «Ein Ausscheiden im Achtelfinal wäre vor dem Turnier als leise Enttäuschung gewertet worden. Rückblickend aber fällt das Zeugnis für Mannschaft und Trainer weitgehend positiv aus. Die Schweiz hat sich als Einheit präsentiert, sie hat sich stetig gesteigert, hat konstruktiven Fussball gespielt und uns Erlebnisse beschert. Sie hat kein überragendes, aber ein gutes Turnier gespielt. Kaufen können wir uns nichts davon. Am Ende bleibt die Ernüchterung. Man hat die Chance verpasst, ein Sommermärchen zu schreiben. Man fährt erhobenen Hauptes heim. Hat aber keine Grenzen verschoben. Das ist nicht nur Pech. Es ist auch eine Frage der Qualität. So ketzerisch es tönen mag: Vielleicht sind wir einfach ein klassischer Achtelfinalist.»