Vor 50 Jahren starb Winnetou den Leinwandtod. Die Reaktionen darauf fielen zum Teil heftig aus.
Es war ein kollektiver Schock. Der Produzent erhielt Drohbriefe, der Darsteller des Mörders bekam nie mehr einen Autogrammwunsch: Vor 50 Jahren starb Winnetou alias Pierre Brice den Filmtod. Sein Eintritt in die ewigen Jagdgründe markierte eine Zäsur.
«Wir wurden hier mit Drohanrufen, mit Drohbriefen eingedeckt, es war fürchterlich», schilderte Matthias Wendlandt, der Sohn des Produzenten Horst Wendlandt (1922-2002), viele Jahre später in einer Fernsehdokumentation. «Die Leute haben wohl nicht damit gerechnet, obwohl doch jedem bekannt war, dass in ‹Winnetou 3› Winnetou stirbt.»
Der italienische Schauspieler Rik Battaglia (1927-2015), der als Bösewicht Rollins den tödlichen Schuss auf den Apachenhäuptling abgibt, erlebte es ähnlich. Er habe damals viele deutsche Fans gehabt, weil er vorher einen Film mit Hans Albers gedreht habe. «Dann habe ich Winnetou umgebracht. Danach kam der grosse Stopp.»
Nachhaltiger Kitsch
Viele Ältere haben die Szene bis heute vor Augen: Der sterbende Winnetou (Pierre Brice) auf einem kroatischen Karstgebirge, gestützt von Old Shatterhand (Lex Barker). Dessen Gedanken schweifen in die Vergangenheit, er sieht sie beide noch einmal im Kanu über den Silbersee rudern, erinnert sich daran, wie Winnetous Schwester Nscho-tschi in seinen Armen starb oder wie der Blutsbruder seiner unerfüllten Liebe Ribanna tief in die Augen blickte.
Dann galoppiert noch Iltschi heran, Winnetous treuer Rappe, und wiehert zum Abschied. Aus der Ferne erklingen die Glocken von Santa Fe, gefolgt von allerletzten Worten in der dritten Person: «Winnetous Seele muss gehen…»
Auferstehung
Karl-May-Experte und Buchautor Michael Petzel war damals 13. «Ich fand das schon als Kind etwas kitschig», erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. «Diese pathetische Überhöhung, das hat etwas von Götterdämmerung.»
Mit «Winnetou, 3. Teil» hatte die seit 1962 währende, sensationell erfolgreiche Karl-May-Serie ihren Höhepunkt erreicht oder auch schon leicht überschritten, wie Petzel meint. Im nächsten Film «Old Surehand» trat Winnetou zwar wieder auf, als wäre nichts gewesen, doch reichte es erstmals nicht mehr zur Goldenen Leinwand.
Beginn einer Rebellion
Im Nachhinein markiert Winnetous Eintritt in die ewigen Jagdgründe nicht nur die grosse Zäsur innerhalb der Karl-May-Reihe, sondern auch einen entscheidenden Moment in der Sozialisation der ersten (west-)deutschen Nachkriegsgeneration.
«Winnetous Tod war der Abschied von einer deutschen Kindheit für die Enkel von Adolf Hitler, die zugleich Kinder von Coca-Cola waren», schreibt der Filmkritiker und Autor Georg Seesslen («Geschichte und Mythologie des Westernfilms»). Drei Jahre später rebellierten schon die Studenten.