Die Reform der Altersvorsorge hat die bürgerlichen Parteien tief gespalten. Jene Kräfte, welche die Lösung des Parlaments unterstützen, haben am Freitag in Bern für die Abstimmungsvorlage vom 24. September geworben. Sie sehen darin einen fairen Kompromiss.
Der Berner Nationalrat und BDP-Vizepräsident Lorenz Hess erinnerte vor den Bundeshausmedien daran, dass der AHV aufgrund der demografischen Entwicklung ein Milliardenloch drohe. Auch die 2. Säule sei wegen des hohen Umwandlungssatzes nicht mehr stabil.
Um die Renten zu sichern, habe das Parlament eine ausgewogene Finanzierung beschlossen, sagte Hess. Zu dieser leisteten Arbeitnehmer, Arbeitgeber, der Bund und via Mehrwertsteuer auch die Konsumentinnen und Konsumenten einen Beitrag.
Damit kann die AHV bis 2030 stabilisiert werden. Mit der Senkung des Umwandlungssatzes werde auch die systemwidrige Umverteilung in der beruflichen Vorsorge reduziert, sagte der Zürcher GLP-Nationalrat Thomas Weibel. Heute werden jährlich schätzungsweise 1,3 Milliarden Franken von der aktiven Generation abgezogen, um die laufenden Renten zu finanzieren.
Frauen profitieren
Daher sollen nun die Renten jener Versicherten, die 44 Jahre oder jünger sind, durch eine Senkung des Umwandlungssatzes um 12 Prozent reduziert werden. Das wird ausgeglichen durch einen höheren versicherten Lohn, zusätzliche Beiträge, einen Zuschlag von 70 Franken auf neue AHV-Renten und höhere Ehepaar-Renten.
Von diesen Massnahmen profitierten vor allem Frauen, die einen riesigen Beitrag zur Reform leisteten, sowie tiefere Einkommen, sagte EVP-Nationalrätin Maja Ingold (ZH). Und die Jungen profitierten von der Senkung des Umwandlungssatzes, weil sie nicht mehr ungebremst riesige Rentner-Jahrgänge finanzieren müssten.
Mit der Lebenserwartung steigen die Kosten
Für Ingold ist auch klar, dass keine noch so ausgeklügelte Rentenrefom alle beschenken und beglücken kann. «Der Anstieg der Lebenserwartung und damit der enorme Zuwachs an zu finanzierenden Lebensjahren kostet.»
In den letzten 20 Jahren sei keine Reform der Altersvorsorge gelungen, sagte die Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. «Wir können uns keine Weiterführung des Reformstaus leisten». Die CVP-Fraktion hatte der Vorlage im Parlament zusammen mit SP, Grünen und BDP zum Durchbruch verholfen. Die Grünliberalen schlugen sich erst kurz vor der Schlussabstimmung ins Ja-Lager.
Doch auch die ehemalige FDP-Ständerätin Christine Egerszegi warnte vor den Folgen einer Ablehnung: Die jährlichen Defizite der AHV würden rasch wachsen, das wichtigste Sozialwerk werde ausbluten, sagte sie. Und nur ein tieferer Umwandlungssatz könne die Umverteilung von den Berufstätigen zu den Pensionierten abbauen.
Egerszegi gehört zu den Architektinnen der vom Parlament beschlossenen Lösung. Ihre Partei aber bekämpft die Reform der Altersvorsorge zusammen mit der SVP. Doch für die jüngsten Aussagen von FDP-Chefin Petra Gössi zum Export von AHV-Renten hat Egerszegi kein Verständnis: Gerade eine liberale Partei habe sich nicht darum zu kümmern, wo jemand seinen Lebensabend verbringe, sagte sie. Das widerspreche auch der Idee der AHV.
Auch Wirtschaft gespalten
Gewerbeverband und Arbeitgeber lehnen die Reform ebenfalls ab. Die Wirtschaftsverbände in der Westschweiz hingegen sind positiver eingestellt. Es handle sich um eine minimalistische Reform, in kaum als zehn Jahren würden weitere Massnahmen notwendig, sagte Christophe Reymond, Direktor des Centre Patronal.
Doch die Sicherung der Rentenhöhe, die Flexibilisierung des Rentenalters, die Senkung des Umwandlungssatzes und die Angleichung des Frauenrentenalters seien Verbesserungen. Für Reymond ist die Bilanz insgesamt positiv. «Wir haben die Gelegenheit, einen ersten Schritt zur Gesundung unseres Vorsorgesystems zu machen», sagte er.