Für die Premiere von «Remember» sind Bruno Ganz und Jürgen Prochnow zum Lido gereist. Auch Oscarpreisträger Christopher Plummer und Martin Landau sind in dem Film zu sehen. Dennoch hielt sich die Begeisterung in Grenzen.
Filme mit politischer und historischer Relevanz gab es bei diesem Festival in Venedig einige. Solche, die auf persönliche Schicksale von Menschen fokussierten, die unfassbare Gräueltaten erlebt haben.
Auch «Remember» hätte ein solches Werk werden können, erzählt es doch von einem Juden, der sich am Mörder seiner Familie rächen will. Doch dann entwickelte sich der Wettbewerbsbeitrag mit Bruno Ganz und Jürgen Prochnow in Nebenrollen zu einem ziemlichen Reinfall und wurde bei einer ersten Vorführung am Donnerstag heftig ausgebuht.
Im Zentrum der deutschen Koproduktion «Remember» steht Zev, ein alter Mann, der an Demenz leidet, aber noch ein Ziel hat: den Mann finden, der seine Familie vor 70 Jahren in Auschwitz ermordete – und ihn töten. Da es aber vier Männer mit dem Namen gibt, sucht Zev sie bei seiner Reise durch die USA und Kanada einen nach dem anderen auf.
Konstruiert und überinstrumentiert
Es ist ein Kampf gegen das Vergessen, den Zev auch selbst erlebt. Immer wieder muss sich der Demenzkranke an seine Mission erinnern und liest dafür den Brief, den ihm sein Freund Max (Oscarpreisträger Martin Landau) geschrieben hat.
Doch nicht nur diese Ausgangssituation wirkt arg konstruiert. Regisseur Atom Egoyan, der für das intensive Drama «Das süsse Jenseits» Ende der 1990er Jahre zahlreiche internationale Auszeichnungen gewann, verschenkt diesen Filmstoff gleich in mehrfacher Hinsicht.
Die Tonspur etwa, die in einigen Szenen wie ein Widerhall von Geräuschen aus dem Vernichtungslager wirken soll, ist bisweilen so plump wie der Einsatz der Musik. Auch bei der Darstellung der Männer, die Zev trifft, geht Egoyan wenig subtil vor.
So ist Bruno Ganz einer der möglichen Täter, der in seinem Keller hockt und das Fotoalbum von seinem Kriegseinsatz gleich zur Hand hat. Einer der anderen Gesuchten ist zwar schon tot, doch dafür zeigt der Sohn stolz die Sammlung der Nazi-Memorabilia, während Schäferhund Eva aggressiv aus dem Hintergrund bellt.
Grossartig: Christopher Plummer
Die grösste Stärke des Films ist Christopher Plummer. Der 85-jährige Oscarpreisträger spielt diesen verwirrten Zev so nuanciert, dass man ihm seltsame Wendungen des Drehbuchs verzeiht und ihm einfach gerne zuschaut: Wie er sich immer wieder neu zurechtfinden muss und doch an der grossen Aufgabe zu scheitern droht.
Möglicherweise wird er dafür am Samstagabend auch mit einem Preis geehrt – und könnte den Film so vor dem Vergessen-Werden retten.