Kurz vor dem Urteil im neuen Prozess gegen Amanda Knox und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito in Florenz hat die angeklagte US-Bürgerin einen Brief an die Familie der 2007 ermordeten Austauschstudentin Meredith Kercher geschrieben.
Die Familie des Opfers beschloss jedoch, ihn nicht zu lesen. «Ich spüre nicht das Bedürfnis, mit Amanda Kontakt zu haben», sagte Stephanie Kercher, die Schwester des Opfers, gemäss der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» am Donnerstag. Seit sechs Jahren läuft das Verfahren um den gewaltsamen Tod von Meredith.
«Das Urteil ist ein Weg, um unserer Schwester zu gedenken», so die Schwester der Getöteten. «Wir wollen keine Rache. Wir wissen, dass die Richter nicht die genaue Wahrheit kennen. Wir hoffen, dass der Prozess zu Ende geht, damit wir uns auf unseren Schmerz konzentrieren können.»
Amanda Knox zeigte Verständnis für den Entschluss der Hinterbliebenen, ihren Brief nicht zu lesen. «Ich begreife, dass ein Austausch zwischen mir und der Familie Kercher den Angehörigen Schmerz verursachen würde, auch wenn mein Brief lediglich Worte des Trosts enthält», sagte Knox laut der Zeitung.
Mit einem Urteil im dritten, seit September laufenden Verfahren gegen Knox und Sollecito wird ab Donnerstagnachmittag gerechnet. Mit Hilfe eines Ausreiseverbots oder Haft solle sichergestellt werden, dass das Urteil auch angewendet wird, fordert Staatsanwalt Alessandro Crini. Die Anklage will somit vermeiden, dass die Beschuldigten im Fall einer erneuten Verurteilung untertauchen.
Knox will nicht nach Italien
Knox befindet sich in ihrer Heimat USA und hat mehrmals betont, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen. Ob Italien nach einer Verurteilung einen Auslieferungsantrag stellt und die USA diesem folgen würden, ist ungewiss. Sollecito verfolgt den Prozess in Florenz und wird vor Gericht auf das Urteil warten.
Knox und Sollecito wird zur Last gelegt, die Austauschstudentin Meredith Kercher im November 2007 in ihrem WG-Zimmer in Perugia ermordet zu haben. Sie müssen sich nach einer Verurteilung in erster und einem Freispruch in zweiter Instanz seit September 2013 bereits zum dritten Mal für das ihnen angelastete Verbrechen vor Gericht verantworten.