Simon Ammann ist der Start in die Saison gründlich missglückt. Seine am Donnerstag beginnende 19. Vierschanzentournee steht unter schwierigen Vorzeichen.
Vielleicht bringt Oberstdorf die Wende zum Guten, obwohl die Vierschanzentournee Ammann in der Vergangenheit mehr Rückschläge als Highlights beschert hat. Mit der Schattenbergschanze im Oberallgäu verbindet der Toggenburger positive Emotionen. Auf keiner Schanze, abgesehen von Einsiedeln, hat er mehr Trainingssprünge absolviert. Die zwei Siege zum Tournee-Auftakt 2008 und 2013 zählen nach eigener Aussage zu seinen schönsten der 23 Erfolge im Weltcup. Und 1997 als 16-Jähriger sprang er bei seiner Weltcup-Premiere im Allgäu gleich auf Platz 15 und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Nagano.
19 Jahre später steckt Ammann in einer schwierigen Situation. Vom fehlenden Tournee-Sieg oder dem fehlenden Weltcupsieg auf österreichischem Boden wird diesmal nicht die Rede sein. Der Schweizer ist viel zu weit weg von der Weltspitze. Den Anschluss verlor der vierfache Olympiasieger durch seinen Sturz am 6. Januar 2015 beim Tournee-Finale in Bischofshofen. Zuvor hatte er noch mit den Rängen 2 und 3 in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck seine bislang letzten Podestplätze herausgesprungen. Die Umstellung der Landung vom linken auf das rechte Führbein verläuft immer noch harzig. Und auf diesen Winter kam die fehlende Weite hinzu: 25., 23., 21., 28. Rang, zwei verpasste Finaldurchgänge und zuletzt Platz 24 in Engelberg bilden die magere Bilanz.
Im Skispringen ist jeder Athlet Schwankungen unterworfen. So gewann der letztjährige Dominator Peter Prevc anlässlich der beiden Springen in Engelberg noch weniger Weltcup-Punkte als Ammann. Noriaki Kasai, einer der konstantesten Routiniers, taucht im Weltcup-Klassement als 27. unmittelbar vor dem Schweizer auf. Kamil Stoch hingegen belegte vergangenen Winter bloss den 22. Rang im Gesamtweltcup, nun springt der Doppel-Olympiasieger aus Polen wieder um den Sieg mit.
Ausgerechnet an der Vierschanzentournee mit acht Wettkämpfen in neun Tagen will Ammann nun den Abwärtstrend in dieser Saison brechen. Das stressige Programm hatte ihm in seinen besten Zeiten wegen der geringen Erholungszeit oft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber möglich scheint der Umschwung trotzdem. Ein paar gute Sprünge in Serie – und das Selbstvertrauen und die Selbstverständlichkeit für Flüge aus einem Guss wären wieder da. Zumindest hätte er dann wieder das Niveau des Vorjahres erreicht, als er einen Top-10-Platz oft wegen der Landung vergab. Ammanns Problem ist aktuell die fehlende Weite und nicht die Frage, wie viele Punkte er bei der Landung verschenkt.
Ammann schwächelt nicht als Einziger im Schweizer Team. Gregor Deschwanden und der Schweizer Meister Killian Peier flogen in diesem Winter noch keinen einzigen Weltcup-Punkt ein. Aus diesem Grund werden die beiden vorübergehend in die zweithöchste Wettkampfserie zurückversetzt. Sie nehmen am Dienstag und Mittwoch am Continental Cup in Engelberg teil. Einzig Gabriel Karlen wird Ammann zum Auftakt nach Oberstdorf begleiten.
Folgt Prevc auf Prevc?
Peter Prevc war vor einem Jahr der 18. Dreifachsieger in der 64-jährigen Tournee-Geschichte. Zuletzt war dies dem Österreicher Wolfgang Loitzl 2008/09 gelungen, als er einem Ammann in Hochform überraschend den ersehnten Triumph vermasselt hatte. Während zwei Wochen passte bei Loitzl damals alles zusammen, und er feierte zwischen dem 1. und 16. Januar alle seine vier Weltcupsiege. Prevc war mit Blick auf den Tournee-Grand-Slam nicht die eigene Schwäche, sondern das Pech mit dem Wind zum Verhängnis geworden. Beim Auftakt in Oberstdorf hatten Severin Freund und Michael Hayböck eine kurze Aufwindphase genutzt, um Prevc zu verdrängen. Ein Triumph auf allen Schanzen in derselben Tournee ist bislang nur Sven Hannawald im Winter 2001/02 gelungen.
Hayböck und Freund zählen diesen Winter zum Favoritenkreis, beide gewannen bereits ein Weltcupspringen. Peter Prevc fiel hingegen in der familien-internen Hierarchie auf Rang 2 von 3 möglichen Klassierungen zurück. Sein jüngster Bruder Domen, erst 17-jährig, flog an jeder Destination dieses Winters einen Sieg ein und reist als klarer Weltcup-Leader ins Allgäu. Aber die Tournee kennt eigene Gesetze, der Favorit tut sich meistens schwer. In den vergangenen zehn Wintern setzte sich der Führende im Overall-Klassement nur dreimal durch: Thomas Morgenstern 2011, Gregor Schlierenzauer 2013 und Peter Prevc 2016. Meistens kam der Sieger aus dem Feld der Verfolger. 2014 überraschte Thomas Diethart als Nummer 24 alle. Zu jenen, die es als Weltcup-Führende nicht geschafft haben, zählt Ammann (Dezember 2006, 2008 und 2009).