Amnesty International wirft Hamas Folter und Entführung vor

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der radikal-islamischen Hamas vor, im Gazastreifen das humanitäre Völkerrecht zu missachten.

Schwere Vorwürfe: Sicherheitskräfte der Hamas in Gaza-Stadt (Symbolbild) (Bild: sda)

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der radikal-islamischen Hamas vor, im Gazastreifen das humanitäre Völkerrecht zu missachten.

Konkret wirft Amnesty International der Hamas vor, sie habe im Sommer 2014 mindestens 23 angebliche Israel-Kollaborateure hingerichtet. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht heisst es zudem, die Hamas habe Dutzende gefoltert oder willkürlich festgenommen. «Im Chaos des Konflikts hat die De-facto-Hamas-Regierung ihren Sicherheitskräften freie Hand gelassen, Menschen in Gewahrsam schrecklich zu misshandeln», sagte Philip Luther, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms.

Die Taten seien aus Rache verübt worden. Amnesty spricht von einer «brutalen Kampagne», mit der im Gazastreifen Angst verbreitet werden sollte. Israel und die Hamas führten im Sommer 2014 einen Krieg, der 50 Tage dauerte. Während dieser Zeit startete die Hamas eine Offensive gegen angebliche Kollaborateure, die Informationen an Israel weitergegeben haben sollen. Zahlreiche Palästinenser wurden öffentlich exekutiert.

16 der später Getöteten hätten bereits vor dem Beginn des Gaza-Krieges im Gefängnis gesessen. Einer von ihnen, ein ehemaliger, geistig behinderter Polizist, sei beispielsweise zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt gewesen. Bevor er diese verbüssen konnte, wurde er am 22. August 2014 von Hamas-Kräften erschossen. Der Bruder des Getöteten sagte Amnesty International zufolge, der Leichnam habe Messerstiche aufgewiesen, Arme und Beine des Mannes seien gebrochen worden.

Geständnisse unter Folter

Bei acht Getöteten war das juristische Verfahren noch nicht abgeschlossen. Sechs andere hatten Einspruch eingelegt, bevor sie getötet wurden. In einem Fall berichteten Verwandte, dass sie erst nach der Exekution von dem Tod ihres Angehörigen erfahren hatten. Es habe keine Möglichkeit gegeben, Einspruch gegen das Urteil zu erheben.

«Es ist absolut grauenvoll, dass, während die israelischen Truppen der Bevölkerung des Gazastreifens schwere menschliche und materielle Verluste zufügten, die Truppen von Hamas dies für eine schamlose Abrechnung ausnutzten», erklärte Luther.

Amnesty International beschreibt in dem Bericht, dass Geständnisse auch durch Folter der Hamas erwirkt worden seien. Auch hätten viele Verhaftungen angeblicher Kollaborateure an Entführungen erinnert: Bewaffnete in Zivilkleidung hätten die Beschuldigten abgeholt, ohne einen Haftbefehl zu präsentieren.

Dem Bericht zufolge verschleppte, folterte und attackierte die Hamas unter anderem Mitglieder der im Westjordanland regierenden Fatah. Keines der Vergehen der Hamas gegen Palästinenser sei geahndet worden. Dies deute darauf hin, «dass die Verbrechen von den Behörden entweder angeordnet oder gebilligt» worden seien, schrieb Amnesty.

Kriegsverbrechen

Einige der Vergehen sind nach Einschätzung von Luther als Kriegsverbrechen einzustufen. Für Folter und standrechtliche Tötung gebe es keine Rechtfertigung, heisst es abschliessend in dem Bericht. Mit ihrem Verhalten habe die Hamas-Führung die «grundlegendsten Regeln des Völkerrechts missachtet», sagte Luther.

Amnesty International sieht im Beitritt der Palästinenser zum Internationalen Strafgerichtshof eine Chance: So könnte Opfern in Israel und dem Gazastreifen Gerechtigkeit widerfahren.

Die Organisation hat auch Israel im Gaza-Konflikt Kriegsverbrechen vorgeworfen. Es soll ohne militärische Notwendigkeit zivile Ziele angegriffen und unnötig Menschenleben gefährdet haben. Die Hamas steht zudem für ihren Raketenbeschuss israelischer Städte in der Kritik: Amnesty International wertete auch diese als Kriegsverbrechen.

Bei dem bewaffneten Konflikt mit Israel im Juli und August 2014 waren im Gazastreifen mehr als 2200 Palästinenser, zumeist Zivilisten, getötet worden. Auf israelischer Seite starben 73 Menschen, darunter 67 Soldaten.

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