Amnesty International wirft dem Fussball-Weltverband FIFA vor, bei der Verhinderung von Menschenrechtsverstössen im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft in Katar 2022 zu versagen. Beim Aufbau der Infrastruktur für die WM würden tausende Arbeitsmigranten ausgebeutet.
In einem neuen Bericht schreibt die Menschenrechtsorganisation, in einigen Fällen lasse sich von «Zwangsarbeit» sprechen. Amnesty fordert den Weltfussballverband FIFA auf, sofort etwas gegen die Ausbeutung von Arbeitsmigranten zu unternehmen. Regina Spöttl, Katar-Expertin bei Amnesty International in Deutschland, erklärte, seit der Vergabe der WM an die Golfmonarchie im Jahr 2010 habe die FIFA «nicht genug gegen die menschenunwürdigen Bedingungen auf den WM-Baustellen getan».
Wenn die FIFA nicht «sofort» handle, sei sie «mitverantwortlich» dafür, dass die Fussball-WM 2022 «auf dem Rücken zehntausender ausgebeuteter Arbeitsmigranten ausgetragen» werde. Amnesty rechnet damit, dass sich die Zahl der Arbeitsmigranten auf den WM-Baustellen in Katar in den kommenden zwei Jahren auf etwa 36’000 verzehnfachen wird.
90 Prozent der derzeitigen Arbeitsmigranten in Katar kommen demnach aus südasiatischen Ländern wie Bangladesch, Indien oder Nepal. «Zwielichtige Arbeitsvermittler» lockten die Männern in ihren Heimatländern mit falschen Lohnversprechungen und verlangten hohe Vermittlungsgebühren von 500 bis 4300 Dollar.
Pässe abgenommen
Spöttl sieht darin einen «Verstoss gegen katarisches Recht, nach dem der Arbeitgeber solche Kosten zu tragen hat». Viele Arbeitsmigranten verschuldeten sich, um die Vermittlungsgebühr bezahlen zu können. In Katar bekämen sie dann «deutlich weniger Lohn als versprochen, in einigen Fällen gerade mal die Hälfte».
Der Amnesty-Bericht «The Ugly Side of the Beautiful Game – Exploitation on a Qatar 2022 World Cup site» zeigt die systematische Verletzung der Menschenrechte von Arbeitsmigranten in Katar auf. 234 Bauarbeiter und Gärtner, die am Khalifa-Stadion und im Sport- und Leistungszentrum am Stadion arbeiten, berichteten Amnesty unter anderem, dass ihnen von ihren Arbeitgebern die Pässe abgenommen wurden, damit sie Katar nicht vor Ablauf des Arbeitsvertrags verlassen können.
Bauarbeitern würden die Löhne mit bis zu sieben Monaten Verspätung ausgezahlt, berichtet Amnesty. Beschwert sich ein Arbeiter, droht ihm demnach sein Arbeitgeber, ihn ohne die ausstehenden Löhne des Landes zu verweisen. Amnesty hatte die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar schon 2015 scharf kritisiert. Seitdem habe die katarische Regierung wenig für eine Verbesserung der Lage unternommen.
«Moderne Form der Sklaverei»
Doha hatte empört auf den damaligen Amnesty-Bericht reagiert und erklärt, dass bedeutende Reformen eingeleitet worden seien und weitere folgen würden. So gebe es bereits Vorschläge, das umstrittene Kafala-System abzuschaffen. Nach diesem System kann ein Unternehmen den Angestellten unter anderem untersagen, den Arbeitgeber zu wechseln oder das Land zu verlassen. Kritiker betrachten das System als eine Form moderner Sklaverei.