Ein nach dem tödlichen Anschlag auf eine Moschee in Québec festgenommener Verdächtiger wird des sechsfachen Mordes beschuldigt. Wie die kanadische Polizei am Montag mitteilte, wird dem Mann zudem Mordversuch in fünf weiteren Fällen vorgeworfen.
Die Vernehmung des mutmasslichen Täters sei noch im Gange, hiess es. Möglich sei eine Anklage wegen «Terrorismus» und Gefährdung der nationalen Sicherheit.
Bei allen sechs Todesopfern im Alter zwischen 39 und 60 Jahren handelte es sich nach Angaben des muslimischen Kulturzentrums um Kanadier mit Wurzeln in Marokko, Algerien, Tunesien und Guinea. Fünf der 19 Verletzten schwebten am Montag weiter in Lebensgefahr. Auf sie bezogen sich die fünf Anklagen wegen versuchten Mordes.
Bei dem mutmasslichen Täter handelt es sich um einen 27-jährigen Kanadier aus einem Vorort Québecs. Der Politikstudenten der Universität Laval soll sich 20 Kilometer ausserhalb der Stadt selbst der Polizei gestellt haben. Der Campus der Hochschule ist nur einige hundert Meter von der Moschee entfernt.
Laut Aussagen von Bekannten vertritt der mutmassliche Täter offen Positionen der radikalen Rechten. Er sei von einer «rassistischen Nationalismus-Bewegung» inspiriert, sagte ein Bekannter der Zeitung «Globe and Mail». Ein weiterer Bekannter sagte dem «Journal de Québec», der 27-Jährige sei «sehr rechts», «ultra-nationalistisch» und glaube an die Vorherrschaft von Weissen über Menschen anderer Hautfarbe. Auf Facebook soll er sich unter anderem als Fan der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen von der rechtsextremen Front National zu erkennen gegeben haben.
Vom Verdächtigen zum Zeugen
Ein weiterer Verdächtiger marokkanischer Herkunft, der nach der Attacke am Sonntagabend vorübergehend festgenommen worden war, wurde wieder auf freien Fuss gesetzt. Er wird in dem Fall nur noch als Zeuge behandelt.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau reiste kurzfristig zu einer Mahnwache nach Québec. Bei einer Rede im Unterhaus des Parlaments in Ottawa, wo ebenfalls eine Mahnwache abgehalten wurde, hatte Trudeau zuvor lückenlose Aufklärung versprochen, nachdem er den Angriff als «Terroranschlag gegen Muslime» eingestuft hatte.
Die vorwiegend katholische Gemeinde der französischsprachigen Provinzhauptstadt debattiert seit längerer Zeit über ihre Identität, wobei die Diskussion teils als muslimfeindlich empfunden wird. So schlug die Partei PQ, die eine Unabhängigkeit der Provinz von Kanada anstrebt, 2013 eine umstrittene «Satzung über die Werte Québecs» vor, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst untersagt hätte, offen religiöse Symbole wie Kopftücher oder Schleier über dem Gesicht zu tragen. Das Kruzifix über dem Sitz des Sprechers in der Nationalversammlung Québecs hätte aber erlaubt bleiben sollen.
Selbstbewusst und offen
«Die Welt schaut auf uns», sagte Provinz-Premierminister Philippe Couillard in einer Ansprache an die Bevölkerung. «Es ist Zeit, zu zeigen, wer wir sind, unsere beste Seite zu zeigen: Männer und Frauen, die auf Französisch in diesem Stück Nordamerika zusammenleben, das Québec ist.»
Er glaube an eine «selbstbewusste und offene Gesellschaft, einen einladenden Ort», wo alle Bürger auf gleicher Ebene behandelt würden. Beileidsbekundungen für Québec kamen unter anderem von den Regierungen der USA, Deutschlands und Frankreichs.
Nationalistische und antimuslimische Organisationen in Québec distanzierten sich von dem Anschlag. «Gewalt ist für uns keine Lösung», erklärten die Gruppierung Fédération des Québécois de souche und die Organisation Atalante Québec. Auch die islamfeindliche Vereinigung La Meute verurteilte am Montag «jegliche Gewaltanwendung». Die rechten Gruppen hatten zuvor Trudeaus Einwanderungspolitik immer wieder kritisiert.