Vor dem zweiten Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima haben in Japan am Wochenende zehntausende Menschen für einen Ausstieg aus der Atomenergie demonstriert. Im Zentrum der Kritik stand der atomfreundliche Regierungschef Shinzo Abe.
Im Hibiya-Park in Tokio gab es heute Konzerte. Wissenschaftler, Geschäftsleute und Freiwillige hielten Reden, anschliessend zog der Protestzug durch den Regierungsbezirk zum Parlament. Ähnliche Anti-Atomdemonstrationen gab es auch in anderen Landesteilen.
Bis zu 150 Anti-Atom-Veranstaltungen waren in ganz Japan bis Montag angesetzt. Bereits gestern hatten in Tokio tausende Menschen für einen Ausstieg aus Atomkraft demonstriert. Nach Angaben der Organisatoren beteiligten sich rund 15’000 Menschen an einem Protestzug.
„Sayonara, Atomkraft“, war am Sonntag auf einem Protestschild in Tokio zu lesen, auf einem Banner wurde ein kompletter Stopp der Atomkraft „bevor wir sterben“ gefordert.
Die Demonstranten hatten eine Petition für Abgeordnete, die sich gegen die Atomenergie wenden. Mit der Petition wird ein Ende des japanischen Atomprogramms gefordert.
Die Demonstranten riefen Ministerpräsident Abe auf, alle Atomkraftwerke im Land stillzulegen. In vielen von dem verheerenden Tsunami im März 2011 getroffenen Städten waren die Menschen am Sonntag in schwarz gekleidet und nahmen an Trauerfeiern für die Opfer der Katastrophe teil.
Bereits am Samstag hatten in Tokio tausende Menschen für einen Ausstieg aus Atomkraft demonstriert. Nach Angaben der Organisatoren beteiligten sich rund 15’000 Menschen an einem Protestzug. Unter den Demonstranten befand sich auch Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburo Oe.
Kritik an der Politik
Die Kundgebungsteilnehmer kritisierten insbesondere Abes im Dezember neu gewählte Parlamentsmehrheit, die für die Zukunft wieder auf eine verstärkte Nutzung der Atomenergie setzt.
Derzeit sind nur zwei von 50 japanischen Atommeilern im Betrieb, da nach der Katastrophe von Fukushima intensive Sicherheitsüberprüfungen angeordnet wurden. Abe hatte wiederholt erklärt, eine Wiederinbetriebnahme von Reaktoren zu genehmigen, wenn die Sicherheit gewährleistet werden könne.
In Folge eines Erdbebens der Stärke 9,0 und eines verheerenden Tsunamis am 11. März 2011 hatten sich in den Reaktoren des japanischen Atomkraftwerks Fukushima Daiichi mehrere Kernschmelzen ereignet.
Es war das folgenschwerste Atomunglück seit Tschernobyl im Jahr 1986. Die Umgebung von Fukushima wurde weiträumig radioaktiv verstrahlt. Bei dem Erdbeben und Tsunami kamen etwa 19’000 Menschen ums Leben. 160’000 Japaner mussten wegen der atomaren Verseuchung ihre Wohnungen aufgeben.
Zehntausende demonstrieren in Taiwan
Die Atomkatastrophe von Fukushima führte auch in anderen Ländern zu Kundgebungen. In Taiwans Hauptstadt Taipeh kamen nach Einschätzung der Organisatoren am Samstag mehr als 50’000 Menschen zusammen. Möglicherweise war die Beteiligung in Taipeh deshalb so gross, weil die Stadt erst am Donnerstag von einem Erdbeben erschüttert worden war.
Die Kundgebungsteilnehmer trugen Transparente mit Aufschriften wie „Keine Atomenergie für unsere Kinder“ oder „Keine Atomenergie, keine Angst“. Die Veranstalter wiesen auf das hohe Erdbeben- und Tsunami-Risiko in Taiwan hin.
Auch in Frankreich, Deutschland und der Schweiz wurde am Wochenende der Katastrophe von Fukushima gedacht und gegen Atomstrom protestiert.
So demonstrierten etwa in Paris tausende Atomkraftgegner mit einer Menschenkette durch die Stadt. Frankreich ist nach den USA das Land mit den meisten Kernreaktoren auf der Welt. In Bern errichteten mehrere hundert Atomkraftgegner einen „Anti-AKW-Turm“ als Mahnmal.