Die Lohndumping-Vorwürfe der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV gegen Crossrail zeigen eine rechtliche Lücke auf: Welche Arbeitsbedingungen als branchenüblich gelten, ist unklar. Gemäss einem Expertenbericht müsste das Bundesamt für Verkehr (BAV) dies definieren.
Der SEV wirft Crossrail vor, einem Teil seiner Lokführer keine branchenüblichen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Was als branchenüblich gilt, ist jedoch nicht geregelt: Weder Gesetz, Vollzugsverordnung noch die Rechtsprechung enthielten dazu konkrete Anhaltspunkte, heisst es in einem vom BAV am Dienstag veröffentlichten Bericht.
Das BAV müsse die Bandbreite definieren, innerhalb welcher die Arbeitsbedingungen als eingehalten gelten, fordern die Experten. Das könne zum Beispiel im Rahmen einer Richtlinie geschehen. Dem BAV stehe dabei «ein nicht unwesentlicher Ermessensspielraum zu», heisst es im Bericht, der im Auftrag des BAV erstellt wurde.
Noch kein Entscheid über Anzeige
Das BAV wird den Bericht nun vertieft analysieren, wie es mitteilte. Über die Anzeige, welche der SEV letzten Sommer gegen das private Gütereisenbahnverkehrsunternehmen Crossrail eingereicht hatte, werde das BAV später entscheiden.
Hintergrund der Anzeige ist die Anstellung von Lokführern in Brig, die zuvor in Domodossola gearbeitet hatten. Sie verdienten zwar nun mehr als zuvor in Italien, erhielten aber nicht den branchenüblichen Lohn, kritisiert der SEV. Crossrail weist die Vorwürfe zurück.
Gemäss Eisenbahngesetz erhalten Unternehmen mit Sitz in der Schweiz nur dann eine Bewilligung, auf dem Schweizer Netz zu fahren, wenn sie die branchenüblichen Arbeitsbedingungen einhalten. Für Bahnunternehmen mit Sitz in der EU gilt dies nicht.
Harsche Kritik vom SEV
Der SEV übte in einer Medienmitteilung harsche Kritik am Bericht. Für in der Schweiz verrichtete Arbeit müssten «landesübliche Löhne gelten», schreibt die Gewerkschaft. Der SEV kritisiert insbesondere, dass der Bericht unterschiedliche Branchen je nachdem definiere, ob es sich um Binnenverkehr oder um internationalen Verkehr handelt.
Unterschiedliche Regelungen für den internationalen und nationalen Verkehr seien im betrieblichen Alltag kaum kontrollierbar und öffneten dem Missbrauch Tür und Tor, schreibt der SEV. An seiner Anzeige gegenüber Crossrail halte der SEV daher fest.